Solidaritätsbekundungen der Katalanen in Frankreich mit jenen in Spanien vor dem spanischen Konsulat in Perpignan.

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Eigentlich müsste derzeit jeder Pariser Chefredakteur einen "envoyé spécial" nach Südfrankreich schicken. Denn mit den Vorgängen in Barcelona stellt sich unweigerlich die Frage, wie es denn um die "Nordkatalanen" bestellt sei. So nennen sich die französischen Katalanen seit der Teilung Kataloniens im Pyrenäenfrieden im Jahre 1659 zwischen Spanien und Frankreich.

Doch die Pariser Medien berichten kaum über die Katalanen im eigenen Land. Als gute Anhänger des jakobinischen Zentralstaates stehen sie ohnehin eher auf der Seite der Regierung in Madrid. Aber nicht nur deshalb übergehen sie die Katalanen im eigenen Land schlicht. Das Pariser Zentrum fürchtet sich historisch bedingt vor den Zentrifugalkräften in den Randregionen: Autonomieforderungen in Korsika oder der Bretagne, dem Elsass oder dem Baskenland – und eben auch in Katalonien werden aus Prinzip abgelehnt: Die französische Republik ist laut dem ersten Artikel der Verfassung "unteilbar".

Regionalsprachen gelten erst seit einer Grundrechtsrevision von 2008 als Teil des nationalen Kulturerbes. Das Katalanische ist in der Stadt Perpignan (120.000 Einwohner) und dem umliegenden Departement Pyrénées-Orientales gut vertreten, was sich auch in den rot-gelben Flaggen beider Körperschaften äußert. Sprache und Kulturgut werden ohne Aggressivität, aber mit Beharrlichkeit hochgehalten. Bei Rugby spielen wird gerne das katalanische Anti-Franco-Lied L’Estaca gesungen. Mehr als diese – in Frankreich durchaus geschätzte – Folklore wird den Katalanen aber nicht zugestanden.

Auf Paris angewiesen

Und da sie mit schätzungs weise 100.000 Vertretern nicht besonders zahlreich sind, vermögen sie sich auch politisch kaum je durchzusetzen. Vor einem Jahr verlangten 10.000 Katalanen bei einer Demonstration in Perpignan, dass die neue Region bei der Territorialreform den Zusatz "pays catalan" erhalte. Doch in der neugebildeten Region Occitanie mit 5,8 Millionen Einwohnern und Großstädten wie Toulouse und Montpellier verhallte diese katalonische Forderung ungehört.

Wenig zahlreich, erliegen die französischen Katalanen aber auch nicht der Radikalisierung. Ihr Anführer Jordi Vera sagt von sich, er liebe Frankreich wie jeder andere Franzose. Das hindert ihn nicht, eine stärkere Autonomie für die Nordkatalanen zu fordern. Chancen hat das Anliegen nicht; die Gegend ist eine der ärmsten Frankreichs und auf Hilfe aus Paris angewiesen. Umso offener zeigen sich die Nordkatalanen mit ihren Brüdern und Schwestern in Barcelona solidarisch.

Für deren Referendum lagerten sie Wahlurnen und druckten Millionen von Wahlzetteln, um sie zum Abstimmungstag in Nacht und Nebel über die Grenze zu schaffen. Im Dorf Pézilla-la-Rivière veröffentlichte der versammelte Gemeinderat ein Foto mit der Aufschrift: "Urnen beißen nicht". Nach den Einsätzen der spanischen Polizei vor den Wahlbüros protestierten in Perpignan hunderte französische Katalanen mit Spruchbändern vor dem spanischen Konsulat. Ohne dass die Pariser Medien darüber berichteten. (Stefan Brändle aus Paris, 10.10.2017)