Wien – Die Unnahbarkeit mancher Kollegen, die wie Halbgötter im Frack hüftsteif Musikweihfestspiele zelebrierten, war nicht seins. Er wollte alle Welt liebend umarmen und mit den Werken verschmelzen, im Schweiße seines Angesichts. Er lebte ein Rockstarleben, mit Whiskys, Zigaretten und vielen Vergnügungen mehr. Auch deshalb wird Leonard Bernstein am 28. August nächsten Jahres leider nicht 100 Jahre alt. Er fehlt.

Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich bereist in der Saison 2017/18 den "Kosmos Bernstein". Als Reiseleiter fungiert Chefdirigent Yutaka Sado, für Bernstein in Wien von 1988 bis 1990 assistierend tätig. Auf dem ambitionierten Trip (der im Mai 2018 auch nach Japan führt) wird dem Komponisten Bernstein gehuldigt (West Side Story, Fancy Free, Kaddish), auch werden Werke gespielt, die Bernstein dirigiert, teils auch uraufgeführt hat.

Fantastisches Sammelsurium

Wie etwa Olivier Messiaens Turangalîla-Symphonie. 1949 hat der Amerikaner das Werk erstmals aufgeführt. Das monumentale, der Liebe gewidmete Werk ist ein so fantastisches wie sperriges Sammelsurium an Klängen und Stimmungen. Mal schrill und skurril, dann honigsüß, pathetisch, pointiert. Die abrupten klanglichen und emotionalen Registerwechsel lassen den Organisten in Messiaen erkennen, manches Melodiefragment den Ornithologen. Doch die überwiegend blockhaft-homophone Führung der Stimmen ermüdet auf Dauer, es wirkt die Turangalîla-Symphonie auch wie eine Rhythmusübung für Orchester.

Das mit über 100 Musikern besetzte Orchester bewältigte den Kraftakt der (etwas überlauten) Wiedergabe im Musikverein exzellent. Roger Muraro interpretierte den Klavier-Solopart mit emotionaler Vielfalt; ein Ruhepol: Valérie Hartmann-Claverie an den Ondes Martenot. Yutaka Sado koordinierte souverän, eine kosmisch-spirituelle Dimension wollte sich nicht eröffnen. (Stefan Ender, 9.10.2017)