Wenn der Name Herbert von Karajan unter Musikfans fällt, dann kommen diese meistens in Schwärmen. Selbst das Salzburger Festspielpublikum beurteilt aktuelle Produktion nach dem Motto "unter Karajan undenkbar". Herbert von Karajan, der geniale Musiker mit dem Anspruch der absoluten Perfektion, hatte aber noch andere Gesichter, berühmt ist vor allem seine Affinität zur Technik. Zeit seines Lebens begeisterte er sich für handfeste Technologie wie den Motor, das Auto als Träger des modernen Fortschritts.

Herbert von Karajan zeigt sich auch am CD-Cover im Auto.
Foto: Porsche

Drei Semester lang studierte er an der Wiener Technischen Hochschule Maschinenbau, sozusagen als Alternative zu den hehren Klängen großer Meister. Auto, Motorrad, Rennsport waren in der Familie Karajan keine Fremdworte. Der ältere Bruder Wolfgang, ein begnadeter Musiker mit Schwerpunkt Barock, fuhr Motorradrennen und wirkte als Funktionär bei Rennveranstaltungen.

Learjet und Rennyacht

Karajan umgab sich zeit seines Lebens mit modernster Technik. Jedes prominente Automobil fand in seiner Garage Unterschlupf, Hauptkriterium: Speed. Persönlich flog er seinen Learjet zu weltweiten Auftritten. In den kurzen Zwischenpausen wurde die Rennyacht mit 22-Mann-Crew in prestigereichen Regatten an den Start gebracht. Auto, Schiff und Flugzeug war einst ein beliebtes Jugendbuch, wo wissbegierige Halbwüchsige ihre Zukunftsträume vorwegnehmen konnten – Karajan vereinte in sich alle drei Fantasien, ein möglicher Grund für seinen Legendenstatus.

Der damals 51-jährige Herbert von Karajan in seinem 550 A Spyder 1959 vor dem Porsche-Werk in Zuffenhausen. Unter der Haube lauerte übrigens ein Motor des 356 A Carrera.
Foto: Porsche

Zwei Zeitzeugen geben ein lebendes Bild des großen Autofans, der als Könner hinterm Lenkrad reine Rennsportfahrzeuge selbst in Grenzbereichen beherrschte. Peter Hänsel, heute bei Porsche Technikexperte im Verkauf, erinnerte sich im Gespräch mit dem Standard an seinen ersten großen Auftritt, der zur Enttäuschung mutierte, als er mit Kollegen 1975 Karajan den neuen, speziell für den Maestro vorbereiteten Porsche 911 Turbo RSR, 500 PS stark, in sein Haus nach Anif bringen sollte. Dieser 911er, 6-Zylinder-Boxer, Rennsportfahrwerk, mit Käfig, Schalensitzen, Silber lackiert mit rot-blauen Steifen auf der Seite und mächtigem Turbo-Schriftzug versehen, wurde fast zum Markenzeichen des berühmten Salzburgers, der schon längere Zeit der Zuffenhauser Motorenschmiede zugetan war. Enttäuschung deshalb, weil die Mannschaft unverrichteter Dinge wieder abziehen musste – es war niemand zu Hause.

Alter und Weisheit

Viele Jahre später, 1988, als Karajan den 959 übernahm, damals das schnellste Serienfahrzeug, war Herr Hänsel wieder dabei. Jener Porsche mit 450 PS aus einem 2850-cm³-Boxermotor, mit Sechsganggetriebe, Allrad, Alutüren, Kunststoffkotflügeln, 317 km/h schnell – ein reines Rennfahrzeug mit mühsamer Straßenzulassung -, schien für den über 80 Jahre alten Maestro, bereits gesundheitlich schwer angeschlagen, eine Nummer zu groß zu sein. Mühsam sich abstützend, umkreiste er den roten Wagen, bald darauf gab er ihn an ein Mitglied der Familie Aga Khan weiter.

Sein 930 Turbo RS bekam die persönliche Kennung "von Karajan".
Foto: Porsche

Hannelore Salzburger, so heißt man eben an der Salzach, war bis zu Karajans Tod Chefsekretärin, Vertraute, Autogesprächspartnerin, selbst Porsche-Freak mit acht eigenen Modellen – und unsere zweite Zeitzeugin. Sie erinnert sich an ihr Vorstellungsgespräch 1972, Tatort Festspielhaus. "Aha, Sie sind es, gehört der rote Alfa Montreal dazu?" Auf die positive Antwort hin meinte Karajan: "Nicht schlecht." Damit war die Jahrzehnte dauernde Partnerschaft besiegelt.

Lebenslange Leidenschaft rasanter Viertakt: Karajan bei den Salzburger Festspielen 1987 mit einem Porsche 959.
Foto: Porsche

Rennwagen waren Karajans große Leidenschaft, obwohl er selbst nie Rennen fuhr. Stattdessen gab er allein auf Rennstrecken Gas, da konnte er sich austoben. 1969 auf dem neuen Salzburgring mit dem Porsche 908/2 oder einige Jahre später im 917 auf der Porsche-Versuchsstrecke – die Versicherung wusste bestimmt nicht, dass seine Beine vor der Vorderachse lagen.

Immer gefürchtet

Richard von Frankenberg, Le-Mans-Klassensieger, Gastfahrer bei Porsche und damals bekanntester deutscher Motorjournalist ("machen Sie aus jeder Kurve eine Gerade"), reichte Karajan 1959 seinen Werks-Spyder 550 weiter (1,5-Liter-Vierzylinder, 135 PS, Leergewicht 550 kg). Damit kurvte Karajan durch Salzburg, auf dem heißen Sitz Gattin Eliette. O-Ton Frau Salzburger: "Die hat sich immer gefürchtet, im Auto, im Jet, auf der Yacht." Der ausgewiesene Porsche-Fan hatte aber auch Autoaffären. Das beweist ein Brief im Ferrari-Museum Maranello, wo Karajan sich für die Leihe eines Ferrari bedankte.

Karajan 1968 beim Fachsimpeln.
Foto: Porsche

Eine wahre Geschichte soll Karajans Symbiose von Auto und Musik dokumentieren. Der Ton eines jungen Wiener Trompeters sprach Karajan besonders an. Festspiele Salzburg, der Chef ruft persönlich in Wien an mit dem "Befehl", sofort nach Salzburg zu kommen. Trompeter: "Ich habe kein Auto, mit dem Zug schaffe ich es nicht." Karajan: "Nehmen Sie meinen in Wien stehenden Mercedes." An der Wiener Stadtgrenze verwandelte sich der Mercedes zum Wrack. Geschockter Anruf bei Karajan, kurzer Lagebericht. Verblüffende Antwort: "Borgen Sie sich von der VW-Werkstätte, wo Sie sind, einen Golf GTI aus und kommen Sie." In Salzburg dann die nächste Überraschung: "Behalten Sie den Golf, ich werde es regeln." (Peter Urbanek, 26.10.2017)