Bereits das Zweifeln macht Winston (Jonas Breitstadt) in Orwells "1984" zum Gedankenverbrecher.

Foto: Jan Friese

Salzburg – Das Salzburger Schauspielhaus hat die Zeichen der Zeit erkannt. Vor allem seit Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, feiert George Orwells letzter und bekanntester Roman, 1984, eine Renaissance. Bei Amazon avancierte der 1948 fertiggestellte moderne Klassiker zum Bestseller, Zitate aus dem Buch finden sich massenhaft in den sozialen Medien, US-Kinos zeigten als Antwort auf Trumps Angelobung die britische Verfilmung mit John Hurt.

Dabei hätte es einen Trump und Fake-News gar nicht gebraucht, um zu erkennen, wie hellsichtig und zutreffend diese Dystopie des englischen Autors eigentlich ist. In Salzburg bringt Regisseurin Petra Schönwald und Dramaturgin Alina Spachidis eine auf das Wesentliche konzentrierte Fassung des Romans auf die Bühne.

Gesellschaftliche Konformität

Der Protagonist Winston Smith (Jonas Breitstadt) arbeitet im "Ministerium für Wahrheit", das in Wirklichkeit mittels Sprachbereinigungen in Form von Umdeutungen zentraler Begriffe für Kontrolle, Manipulation, Unterdrückung und gesellschaftliche Konformität sorgen will.

Diese Maßnahmen wirken bis in die intimsten Bereiche der Menschen. Winstons Versuch einer Liebesbeziehung zu Julia (Tilla Rath), die im Sex einen Akt der Revolte sieht, bleibt erfolglos. Die beiden werden im "Ministerium der Liebe" gefoltert – in der Inszenierung mit Stroboskoplicht und schrillen Sounds umgesetzt. Gegenseitiger Verrat ist das ernüchternde Ergebnis.

Verzicht auf moderne Technik

Angesichts der komplexen Vorlage und der noch komplexeren Analogien zu unterschiedlichen Gegenwartsphänomenen kann man verstehen, dass es bei Andeutungen bleibt. Aber der Verzicht auf moderne Technik wie Smartphones macht die Aufführung zu vage.

Die öfter wiederkehrenden Szenen, in denen über die "Teleschirme" Körperertüchtigung propagiert und befohlen wird, hätte man mit Entwicklungen wie Selftracking kurzschließen und so den State of the Art der Kontrollgesellschaft veranschaulichen können.

Dem jungen Zielpublikum (ab 14 Jahren) und den Pädagogen bleibt als Denkanstoß immerhin ein Dossier (Zusammenstellung: Alina Spachidis) zur komplexen Thematik: mit Zitaten von Kulturwissenschaftern wie Slavoj Zizek, Michel Foucault oder Mark Fisher. (Gerhard Dorfi, 10.10.2017)