Die Lust am Fabulieren holt Matthias Strolz allerorten ein: ob bei der Pressekonferenz mit Irmgard Griss im Grazer Hotel Weitzer oder später am Pult im Hörsaal der Grazer Universität.

Foto: der Plankenauer

Griss wie Strolz stünden bereit für ein Regierungsamt in einer Dreierkoalition.

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Graz – Sie hat nicht sollen sein, die Begegnung mit dem "kleinen Mann", der "kleinen Frau" von der Straße. Der Programmpunkt "Luftballon Walk" – was immer das auch hätte sein sollen – wie auch der Besuch eines Wahlkampfstandes in der Grazer Innenstadt müssen leider ausfallen.

Die Zeit drängt, der Wahlkampf wird immer enger, keine Zeit mehr zum Smalltalk mit den Bürgern, und so spulen Irmgard Griss und Matthias Strolz im altnoblen Hotel Weitzer die Auftaktpressekonferenz für ihren Graz-Tag rasch herunter – ehe sie weiterziehen. Die politischen Themen erledigen Griss und Strolz im Paarlauf. Der energetisierte Strolz als Fachmann fürs griffig Plakative – etwa konkret für Forderungen, dass die Länder eine Pönale in der Höhe von 50 Millionen Euro zahlen müssten, wenn sie sich weigern, eigene Förderausgaben nicht in die Transparenzdatenbank einzuspeisen.

Die "moralische Substanz"

Irmgard Griss ist mehr für das ewig Gültige zuständig, für die "moralische Substanz des Einzelnen", wie sie sagt, von der abgeleitet werden kann, dass Politiker auch für Fehlentscheidungen haften sollen. Aber im Übrigen: Sie beide stünden bereit für ein Regierungsamt in einer Dreierkoalition, Schwarz-Blau-Pink nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Und schon sitzen beide, Strolz und Griss, wieder in ihren Wahlkampfautos und tingeln zu ihren nächsten Auftritten, Strolz in eine alternative Schule, Griss stellt sich einer Schülerdiskussion im Grazer Wirtschaftskundlichen BRG (WIKU). Die Oberstufler hatten eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der Parlamentsparteien organisiert. Griss wirkt ein wenig wie die emeritierte Direktorin des Gymnasiums, sanft im Ton und sehr bemüht, den Jungen etwas an Lebensphilosophie mitzugeben: "Es geht um mehr Vertrauen in die Kraft des Einzelnen und in sich selbst, es geht darum, aus eigener Kraft etwas zu leisten."

"Flüchtlingsinvasion"

Die Schüler hören artig zu, bis der junge FPÖ-Funktionär, selbst noch ein Schüler, von der "Flüchtlingsinvasion" spricht. Die ebenfalls junge Grünen-Politikerin wird lautstark akklamiert, als sie diesen attackiert: "Das ist ja einfach nur widerlich, was Sie hier machen und von Invasion sprechen." Da wird der blaue Junge etwas rot.

Eine kleine Zeitspanne später fühlt sich Griss schon sichtlich wohler und gesprächiger, als sie vorne steht beim Pult im Hörsaal 15.03 des Rechts- und Sozialwissenschaftlichen Zentrums der Uni Graz. Die jungen Neos, die Junos, haben zum Talk eingeladen.

Auch Strolz ist von seiner Schultour wieder dazugestoßen und stimmt ein in die von Griss mit einem Hauch Weihrauch durchzogene Hymne auf die Universität. "Mein Gott", lässt sich Strolz anstecken, "die Universität ist ja mehr als Wissensvermittlung, sie ist ein Lebensraum. Es sind goldene Jahre, in denen man sich spüren kann." Um dahin zu kommen, freilich, soll es aber Studiengebühren geben. "Aber nur moderate", korrigiert Griss streng.

Der universitäre Boden befruchtet jedenfalls die Strolz'sche Lust am Fabulieren. Die Assoziationsketten führen ihn zurück bis in die Schulzeit, wo er 1991 schon beim ersten Schülerparlament dabei gewesen sei, und wie stolz er sein erstes Referat über die Hexenverbrennungen gehalten habe.

Kein Silberstein

Ein bemerkenswertes Detail: Am Wahlkampf zeigen die Studierenden, die höflich den Ausführungen über das Unterrichtsorganisationsgesetz (UOG) 1975 und dem Folgegesetz 1993 zuhören, kein Interesse. Selbst nach einer Stunde Doppelconférence fiel kein einziges Mal das Wort "Silberstein" oder irgendein anderes Keyword aus dem Wahlkampf.

Und am Ende, als Strolz schon zusammenpackte, kam er endlich doch zustande, der Kontakt zum "einfachen Wahlbürger". Ein älterer, stämmiger Mann mit dicker Windjacke stürmt auf Strolz zu und will von ihm wissen, wie es mit den Pensionen weitergehe. Ein bissl aufgeschreckt sammelt der Neos-Chef ein paar Parteipositionen zusammen.

Er sei extra mit dem Motorrad von St. Veit in Kärnten hierhergefahren an die Uni, sagt Herbert Sauer, Fachmann für erneuerbare Energie, im STANDARD-Gespräch. Seit dem Ende der bürgerlichen Grünen sei er "politisch heimatlos". Nun habe er eben auch die Option Neos vor Ort prüfen wollen. "Sie könnte vielleicht eine neue Heimat werden. Wenn Strolz und Griss sich näher zum Thema erneuerbare Energie und Ökologie äußern würden", sagt Sauer. "Aber jetzt warte ich noch die Elefantenrunde im Fernsehen ab und entscheide dann. Aber ich glaube, ich werd letztlich wohl bei den Grünen bleiben." (Walter Müller, 11.10.2017)