Hallo, liebe Freunde der guten Seriennachrichten.

Weil seit Neuestem gern über die Not mit der Serienflut geklagt wird, dass man angesichts des Überangebots den Überblick verliere, wegen der Masse die Qualität leide und das so nicht weitergehen könne und überhaupt: Ich halte solche Einschätzungen für maßlos und übertrieben. Schließlich würde ja auch kein Mensch je auf die Idee kommen, sich über zu viele Filme zu beschweren oder sich darüber zu echauffieren, dass zu viele Bücher erscheinen.

Die Wahrheit ist ja ohnedies, dass man sich mit der Tatsache abfinden wird müssen, dass nämlich die Zahl der produzierten Serien in den nächsten Jahren eher noch steigen denn sinken wird. Ganz einfach, weil die ausspielenden Plattformen mehr werden. Diese Woche wurde zum Beispiel bekannt, dass Peter Dinklage Quasimodo spielen wird – für Atrium TV.

Der "Ur-Quasimodo" im Film: Peter Dinklage wird in die Rolle des verwachsenen Glöckners schlüpfen, den einst Charles Laughton 1939 so meisterlich spielte.
adam28xx

Atrium wer? Dahinter verbirgt sich ein internationaler Zusammenschluss von Telekomanbietern, die auch im Seriengeschäft mitmischen wollen. Interessant ist ja dann immer, wie man auf die Stoffe kommt, und man wäre gerne Mäuschen bei der Entscheidung von Orange, Telekom und Iflix, ausgerechnet dem französischen "Glöckner von Notre Dame" ein serielles Denkmal zu setzen und die Hauptrolle mit dem kleinwüchsigen Serienhelden zu besetzen. Bei der Zusage von Peter Dinklage werden vermutlich einige Korken geknallt haben.

Aber wo war ich stehengeblieben? Genau, Serienschwemme. Ich glaube, man muss sich einfach lösen vom Totalanspruch, alles sehen zu müssen. Darüber hinaus ändert sich der Markt insofern gerade, als mehr und mehr Miniserien gedreht werden, für die man im Binge-Watch-Modus nicht einen ganzen Tag, sondern nur einen Nachmittag oder Abend braucht. Aber auch sonst: alles zu seiner Zeit. Ich zum Beispiel habe noch keine einzige Folge von "The Deuce" gesehen, umso mehr freue ich mich auf lange Winterabende mit Pornoqueen Maggie Gyllenhaal. Zuvor ereignet sich aber noch Entscheidendes, ich sage nur "The Walking Dead". Verstehen wir uns?

Und schon sind wir beim Kernauftrag dieses Blogs: Fernsehen ohne Reue.

Zuvor noch der obligatorische SPOILERALARM. Wer nichts, aber auch gar nichts über Inhalte von künftigen Programmen verträgt, möge jetzt aussteigen und niemals behaupten, er sei nicht gewarnt worden.

Sonntag, 22. Oktober: Das Verschwinden, 21.45 Uhr, ARD

Apropos Miniserie: Für diese hier braucht man viermal 90 Minuten. So lange nimmt sich "Das Verschwinden" von Bernd Lange (Drehbuch) und Hans-Christian Schmid (Drehbuch, Regie) Zeit, um eine Kriminalgeschichte des Versagens auf allen Ebenen zu erzählen: jenes zwischen Eltern und ihren Kindern und jenes der Institutionen, die meist erst dann ins Spiel kommen, wenn alles schon zu spät ist.

Zuerst hängt der Haussegen schief: Wenn die Mutter die Tochter in der Firma mit Geburtstagstorte und Kerzen überraschen will und sich herausstellt, dass das Kind gar nicht mehr dort arbeitet, lässt sich das nicht so einfach mit dem Hinweis auf entwicklungsbedingte Persönlichkeitsstörungen wegdiskutieren. Da läuft schon länger etwas schief. Was folgt, ist ein Mutter-Tochter-Konflikt vor dem Hintergrund eines Sorgerechtsstreits, ein Kürbis, der keiner ist, und eine private Tragödie, die gleich mehrere Familien in den Abgrund stürzen wird. Mit Julia Jentsch, Johanna Ingelfinger, Elisa Schlott, Nina Kunzendorf, Stephan Zinner. Ein schwerer Brocken. Die weiteren Ausstrahlungstermine: 29., 30. und 31. Oktober, jeweils 21.45 Uhr.

Foto: ARD Degeto/BR/WDR/NDR/23/5 Filmproduktion/Yoshi Heimrath

Montag, 23. Oktober: The Walking Dead, Sky
Wenn man die ersten Szenen der neuen, achten Staffel ansieht, könnte man fast von friedlichen Verhältnissen ausgehen. Eine stattliche Villa im Kolonialstil, Menschen gehen ein uns aus, in der Schmiede sprühen die Funken. Das war's dann aber auch schon mit der Normalität, denn als Nächstes steckt ein Pfeil in einem Autoreifen, und Trauer überkommt uns, wie Rick und seine Gemeinde, die einige Tote aus der letzten Folge vor der Pause zu beklagen hat. Was ich in dieser ersten Folge sah, war ein Rick, der noch mehr als bisher mit sich als Führungspersönlichkeit (Messias?) spielt und sein Volk ins gelobte Land führen und dabei ein ums andere Mal scheitern muss. Weil es eben nicht so einfach ist mit dem Frieden und sich die Bösewichte sehr oft mehr inmitten von uns und nicht so sehr außerhalb befinden und überhaupt im Moment gerade wieder alles zum Verzweifeln ist. Für solche unumstößlichen Lebensweisheiten muss man "The Walking Dead" einfach mögen. Für immer.

Foto: Sky

Es gibt jedenfalls wieder mächtig "Kawumm!", "Bazong!" und "Schmatz, schmatz" in der Auftaktfolge, hordenweise hungrige Zombies – und einige verwirrende Zeitsprünge. Tragischer Hintergrund der Staffel: Bei den Dreharbeiten verunglückte der Stuntman John Bernecker tödlich. Er fiel aus einer Höhe von etwa neun Metern auf den Zementboden und zog sich schwere Kopfverletzungen zu. Bernecker war 33 Jahre alt. Im Abspann wird seiner gedacht, ebenso des im Juli verstorbenen Regisseurs George A. Romero, Schöpfer von Klassikern des Horrorgenres wie "Night of the Living Dead" (1968), "Zombie" (1978) und "Dawn of the Dead" (2004).

Wie geht's weiter? Comicautor Robert Kirkman will offenbar frühestens mit der zwölften Staffel aufhören, es läuft also alles auf Zombies bis 2022 hinaus. Soll nichts Ärgeres passieren.

JoBlo TV Show Trailers

Mittwoch, 25. Oktober: Maikäfer flieg, 20.15 Uhr, ORF 1
Von der Kalvarienberggasse in Hernals hinaus nach Neuwaldegg müssen Michaela Göth und ihre Tochter Christine im April 1945 ziehen. Die Stadt ist zerbombt, die Wohnung ein Trümmerhaufen, und noch immer dröhnen die Sirenen. "Maikäfer flieg" folgt den Kindheitserinnerungen der Schriftstellerin Christine Nöstlinger. Mirjam Unger hat sie verfilmt, in der Hauptrolle spielt Zita Gaier als die kleine Christine, Ursula Strauss als ihre Mutter, ein Highlight des österreichischen Films, 2016 bei der Diagonale preisgekrönt. Ein Buch, das jeder gelesen haben muss, ein Film, den jeder gesehen haben muss.

Filmladen Filmverleih

Donnerstag, 26. Oktober: Carolin Kebekus Pussy Terror TV, 22.45 Uhr, ARD
Sie nennt sich "Witze-Bitch", "Muschido" oder "Mensch mit Menstruationshintergrund", und schon allein für diese Selbsteinschätzung muss man Carolin Kebekus Respekt zollen. Mit der Textzeile "Ich schweb zu euch herab, die geilste Sau dieser Welt" ließ sie sich "atemlos" als Helene Fischer mit gut gezeichneter "Buschido" am Showkostüm beim deutschen Comedypreis durch die Lüfte ziehen. Der WDR zensurierte ein Video mit ihr als rappender Nonne – die Frau weiß, was sich nicht gehört, und macht es genau deshalb.

MySpassde

Schnell noch der Trailer der Woche:
Vor 13 Jahren konfrontierte Sacha Baron Cohen als Ali G Donald Trump mit einer bestechenden Geschäftsidee, und es dauerte laut Cohen ganze sieben Minuten, bis der spätere US-Präsident überzuckerte, dass er einer Verarsche aufliegt. Die Art, wie Trump sich dann höflich, aber bestimmt verabschiedet, hat noch letzte Anzeichen von Würde und zeigt gleichzeitig, dass Menschen sich ändern können, und leider nicht immer zu ihrem Besten.

Seif Soudani

In diesem Sinne: Frohes Schauen, und bleibt tapfer! (Doris Priesching, 19.10.2017)