Katar und Katar und Emir Tamim bin Hamad Al Thani wollten der Außenpolitik Saudi Arabiens nicht folgen. So verkehrte man weiter mit den ägyptischen Muslimbrüdern.

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Wien – Die sogenannte Katar-Krise ist längst im Westen, auch in Österreich, angekommen, und zwar schon bevor Saudi-Arabien und Konsorten (Vereinigte Arabische Emirate / VAE, Bahrain und Ägypten) seit Anfang Juni damit begannen, das Emirat Katar politisch und wirtschaftlich zu isolieren. Beide Seite wetteifern dabei, die besten PR-Firmen zu engagieren, und haben in den vergangenen Monaten Millionen dafür ausgegeben, ihre Positionen unter die Leute zu bringen. Wobei für den Endkonsumenten – und vielleicht manchmal sogar für die Mittelsmänner – nicht immer klar ist, wer eigentlich dahintersteckt.

Da werden Studien kommissioniert oder Konferenzen abgehalten, für die man möglichst viele Leute mit gutem Namen zu gewinnen versucht, die dann indirekt – auch wenn sie das selbst gar nicht wollen – zum Advokaten der einen oder der anderen Causa werden. Manchmal kommt das finanzielle Angebot aber auch ziemlich offen daher. "Nennen Sie den Preis" für eine Rede bei einer Konferenz, die einen eigentlich gar nicht interessiert.

Politischer Konflikt

Worum geht es? Es ist zuvorderst ein politischer Konflikt: Katar will sich mit der saudischen Hegemonie unter den Golfarabern nicht abfinden und macht seine eigene Außenpolitik, die den saudischen Interessen manchmal zuwiderläuft: Etwa indem Doha die Verbindungen zum Iran nicht abbricht. Oder – für die Geschehnisse in Österreich relevanter – indem Doha weiter mit den ägyptischen Muslimbrüdern verkehrt, auch nach deren Entfernung aus der ägyptischen Politik durch den – von Riad unterstützten – Sturz Mohammad Morsis 2013.

Was die Muslimbrüder in saudischen oder emiratischen Augen so gefährlich macht, ist, dass sie islamisch, aber revolutionär sind (und damit sind sie der Schia im Iran nicht unähnlich): Das wird von den Golfmonarchien als Gefahr wahrgenommen. Denn das von den Muslimbrüdern proponierte islamische System braucht eben keinen Monarchen, sondern kann auch mit einem Präsidenten leben, der dann noch dazu gewählt ist.

Der logische Schluss für die "saudische Gruppe", wie sie manchmal genannt wird, ist, dass jene jihadistischen Kräfte, die sowohl dem Westen als auch den nahöstlichen Systemen gefährlich sind, mit den Muslimbrüdern unter einer Decke stecken oder überhaupt ident sind. "Die Muslimbruderschaft und der ,Islamische Staat' kommen aus demselben Sumpf" ist etwa der Titel eines jüngst in den VAE erschienenen Zeitungsartikels. "Die USA sollten ihre Entscheidung überdenken, die Muslimbruderschaft nicht auf die Terrorliste zu setzen" ist der Untertitel.

Kompromisslose Emirate

Und genau in diese Botschaft wird seit Monaten viel saudisches und emiratisches Geld investiert. Genau genommen sind die VAE in Bezug auf die Muslimbrüder noch kompromissloser, während Saudi-Arabien, wenn es politisch nützlich ist, noch pragmatisch agiert, etwa was die Zusammenarbeit mit der Islah-Partei im Jemen, die der Muslimbruderschaft zuzurechnen ist, angebelangt. Oder wenn es um das Verhältnis zur Türkei geht, deren Regierung ja auch zum Muslimbrüder-Dunstkreis gehört. Allerdings haben sich die türkisch-saudischen Beziehungen seit Ausbruch der Katar-Krise, in der sich Ankara auf die Seite Dohas stellte, wieder massiv verschlechtert.

Nicht nur Ablenkung

Eine politische Krise also, aber man wäre nicht im Nahen Osten, wenn man nicht auch gleich mitten in der Religion wäre: Wenn die Saudis heute propagieren, dass die Muslimbrüder am "politischen Islam" und am islamistischen Terrorismus schuld seien, dann ist das nicht nur einfach Chuzpe, um davon abzulenken, dass Riad selbst jahrzehntelang seinen eigenen salafistischen Islam exportiert hat.

Der Salafismus sei ursprünglich total unpolitisch gewesen, so lautet das dahintersteckende saudische Narrativ. Konservativ, aber nicht radikal. Die Politisierung und die Radikalisierung seien von außen erfolgt: konkret durch die ägyptischen Muslimbrüder, die besonders in den 1960er-Jahren aus dem nasseristischen Ägypten flohen – und nach Saudi-Arabien kamen. Überflüssig zu sagen, dass es ein bisschen komplizierter war als das. (Gudrun Harrer, 10.10.2017)