Haushaltsabgabe für alle, angebliche Verhörmethoden im ORF, Privatisierung von ORF 1 oder Ö3, Inserate, Regeln und Steuern für Google und Facebook: Der STANDARD schickte den Mediensprechern der Parlamentsparteien Fragen bezüglich der Medienpolitik. Claudia Gamon (28) ist nach Niko Alms Wechsel zum Red-Bull-Projekt Quo Vadis Veritas seit dem Frühjahr 2017 Mediensprecherin der Neos.

STANDARD: Wie soll der ORF aus Ihrer Sicht künftig finanziert, organisiert, geführt und beauftragt werden?

Gamon: Wir fordern, die verpflichtende Rundfunkgebühr abzuschaffen. Stattdessen soll der ORF über eine reformierte Medienförderung aus dem Bundesbudget finanziert werden.

Der ORF ist Österreichs größtes Medienhaus und hat die immens wichtige Aufgabe, für die österreichische Öffentlichkeit objektive Information zur Verfügung zu stellen. Die politische Unabhängigkeit des ORF ist jedoch nicht gegeben, wenn das wichtigste Entscheidungsgremium im ORF – der Stiftungsrat – mit Parteienvertretern besetzt ist. Wir fordern eine Gremienreform, um den parteipolitischen Einfluss im ORF zurückzudrängen.

Der ORF erfüllt seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag – der sich knapp als "Bildungsauftrag" zusammenfassen lässt – nicht. Wir fordern, dass sich der ORF auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag konzentriert. Ein Sender, der von Steuerzahlern finanziert wird, muss einen fundierten, unabhängigen Journalismus in den Vordergrund stellen und nicht ein Unterhaltungsprogramm, das auch Private liefern können.

STANDARD: Braucht es künftig einen gebührenfinanzierten österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – und mit welchen Aufgaben?

Gamon: Ja, es braucht einen österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk – von der Prämisse ausgehend, dass der freie Medienmarkt Inhalte mit öffentlich-rechtlichen Mehrwert nicht ausreichend produziert und verbreitet –, um die für das Funktionieren einer Demokratie notwendige Meinungsbildung zu sichern. Aber nein, es braucht keinen gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunk. Zu den Aufgaben des ORF: Der medienpolitische Kernauftrag des ORF ist die Produktion von Public Value. Im Mittelpunkt soll hierbei die Arbeit der Informationsredaktion stehen. Zukäufe, die rein der Unterhaltung dienen und nicht das Kriterium eines Inhalts mit gesellschaftlichem Mehrwert erfüllen – also keine meritorischen Güter sind –, sollen nicht mehr getätigt werden.

Neos-Mediensprecherin Claudia Gamon.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: In den vergangenen Wochen kursierten wieder einmal Spekulationen, eine neue Regierung könnte ORF 1 oder Ö3 privatisieren, die Sender könnten einzelnen Medienhäusern schon versprochen sein. Was halten Sie von der Idee, ORF 1 und/oder Ö3 abzuspalten und privaten Medienunternehmen zu verkaufen?

Gamon: Abspaltung und Verkauf einzelner Sender macht insofern keinen Sinn, da aus unserer Sicht durch den technologischen Wandel die gesamte Verbreitungsstruktur des ORF überdacht werden muss, da die Verbreitung der Inhalte heute nicht mehr an die Infrastruktur des letzten Jahrtausends gebunden ist und auch innerhalb des ORF als separater Bereich gesehen werden kann.

Dabei bietet die Verbreitung der Inhalte und des Programms das größte Potenzial zur Veränderung des ORF. Hier muss die komplette Senderstruktur infrage gestellt werden: Das bedeutet nicht, dass der ORF auf Fernseh- und Radiosender verzichten muss, aber eine Evaluation über die sinnvollsten Methoden zur Verbreitung wird hier stattfinden müssen. Zusätzlich kann und soll der ORF seine hochwertigen Public-Value-Inhalte auch über private Kanäle anbieten. Hier geht es nicht darum, Inhalt zu verschenken, sondern darum, möglichst große Reichweite zu erzielen. Unser demokratisches Interesse ist es, vertrauenswürdige politisch relevante Nachrichteninformation (aber auch Kultur, Sport, Wirtschaft etc.) einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen.

STANDARD: In Deutschland müssen – bis auf sozial Bedürftige – alle Haushalte für ARD, ZDF und Co bezahlen, unabhängig vom Empfang. Ein ähnliches Modell hat sich die Schweiz fix vorgenommen. Hier ist Radio-Streaming auch von ORF-Programmen bisher gebührenfrei, weil technisch kein Rundfunkempfang, an den das Gesetz die GIS-Gebühr knüpft. Wäre eine Haushaltsabgabe sinnvoll?

Gamon: Eine Haushaltsabgabe wäre zweifelsfrei treffsicherer als das aktuelle Gebührenmodell. Allerdings wäre die Einführung einer neuen Steuer – und nichts anderes wäre eine Haushaltsabgabe – in Anbetracht der österreichischen Abgabelast nicht zu argumentieren. Wir fordern daher die Finanzierung einer "Medienförderung neu", die die bisherige indirekte und direkte Presseförderung ersetzt und aus dem Bundesbuget finanziert wird – wobei sich der Budgetbedarf eines reformierten ORF durch eine Steuerreform finanziert (das errechnete Einsparungspotenzial findet sich hier: https://parlament.neos.eu/steuerreform/) und nicht durch eine Ausweitung der Ausgaben.

Die Finanzierung des ORF erfolgt über zwei Wege: eine Basisabgeltung, die zur grundsätzlichen Erfüllung des Kernauftrags notwendig ist, kombiniert mit einer spezifischen Produktionsförderung.

STANDARD: Wäre eine Verkleinerung des Gremiums bzw. der Gremien sinnvoll und wie sollten sie künftig aussehen? Der ORF hat derzeit einen Alleingeschäftsführer – Alexander Wrabetz – und vier Zentraldirektoren sowie ORF-Landesdirektoren für jedes Landesstudio. Ist der Ist-Zustand sinnvoll – oder sehen Sie sinnvollere Varianten (und welche)?

Gamon: Die Gremien des ORF sollen völlig neu organisiert werden: Der ORF wird strukturell ähnlich einer Aktiengesellschaft aufgestellt. Publikums- und Stiftungsrat werden durch zeitgemäße Governance-Strukturen ersetzt und nicht mehr von parteipolitischer Logik dominiert. Eine Eigentümerversammlung – vergleichbar einer Hauptversammlung – setzt sich durch "ausgeloste Freiwillige" (d. h. Personen aus der Bevölkerung) sowie Repräsentanten von Institutionen der Zivilgesellschaft und der Parlamentsparteien zusammen (pro Parlamentsklub mindestens eine Person; jedenfalls stellen die Parteienvertreter eine Minderheit dar).

Die Eigentümerversammlung wählt auf Basis von Ausschreibungen und Hearings einen Aufsichtsrat. Dieser bestellt den Vorstand. Dieser bestellt einen Vorstand, der als Kollegialorgan aus mehreren Vorständen besteht, um nachhaltige Führungsqualität zu gewährleisten (inkl. einem Vorstandsvorsitzenden, jedoch ohne Einzelgeschäftsführung).

Die ORF-Landesstudios sind grundsätzlich ein wichtiger Faktor für zu vermittelnde Regionalität/Identität, die wir als Teil von Public Value sehen. Allerdings gehören die Landesstudios entlang der Empfehlungen des Rechnungshofberichts 2015 reformiert und in den ORF Neu, wie wir ihn uns vorstellen, eingebettet (angepasste Senderstruktur etc.).

STANDARD: Soll das ORF-Gesetz Mindestanteile für österreichische Produktionen/Musik/Inhalte in Radio- und Fernsehprogrammen des ORF vorschreiben?

Gamon: Nein, einem unabhängigen Medienhaus sollte die Programmgestaltung frei überlassen werden. Da "Regionalität", "kulturelle Vielfalt", "Identifikation" allerdings Bestandteile des Programms zugrunde liegenden Public-Value-Begriffs sind, werden Produktionen mit Österreichbezug jedenfalls berücksichtigt werden müssen.

STANDARD: Der ORF wünscht sich mehr Möglichkeiten online – von Werbe-Targeting bis zu längerem Anbieten von Videoinhalten. Was halten Sie davon?

Gamon: Prinzipiell sollen einem (reformierten) ORF alle Kanäle offenstehen, jedenfalls und insbesondere auch moderne Methoden im Bereich mobile und soziale Applikationen und Netzwerke.

STANDARD: Kritiker werfen ORF-Journalisten wie Armin Wolf "Verhörmethoden" vor. Braucht es neue Regeln für ORF-Journalisten und sollen ihre Social-Media-Aktivitäten eingeschränkt werden?

Gamon: Aufgabe von Journalisten in der Interviewführung ist es, Aktuelles und/oder Relevantes für die Medienkonsumenten nachvollziehbar durch ein Gespräch darzustellen. Dieses Prozedere "Regeln" unterwerfen zu wollen, würde eine Beschneidung der Pressefreiheit bedeuten, was wir vehement ablehnen.

Aktivitäten auf sozialen Medien von Journalisten sollten, wie ihre Arbeit sonst auch, medienethischer Grundsätze unterliegen (Unparteilichkeit etc.) – diese Grundsätze sind "Regel" genug.

PRIVATSENDER

STANDARD: Zwei Sendergruppen – ProSiebenSat1 und RTL/IP – dominieren das Privatfernsehen in Österreich, insbesondere auf der Basis von Werbefenstern. Seit deren Start in den 1990ern wurden immer wieder Sonderregeln bzw. -steuern für Werbefenster gefordert. Ist da aus Ihrer Sicht etwas zu tun – und wenn ja, was?

Gamon: Deutsche Werbefenster unterliegen einer anderen Reglementierung – sie können zum Beispiel Werbung für Alkohol schalten und folgen anderen, freieren Werbezeiten. Eine Anpassung der Reglementierung wäre denkbar, würde aber das Hauptproblem eines übergroßen ORF am österreichischen Werbemarkt nicht lösen. Eine Neuausrichtung der Finanzierung des ORF aus dem Bundesbudget (mit mehrjähriger Fixierung zur Planungssicherheit, ähnlich der BBC) würde den Druck aus dem österreichischen Werbemarkt nehmen und den Privaten mehr Raum lassen.

MEDIENFÖRDERUNG

STANDARD: Die RTR fördert derzeit kommerzielle Privatsender – etwa die "Morning Show" auf Kronehit oder Life Radio, Nachrichten auf Puls 4 oder auch Ö24TV mit insgesamt 15 Millionen Euro pro Jahr. Der ehemalige RTR-Chef Alfred Grinschgl hat vorgeschlagen, über mehrere Jahre deutlich profitable Sender nicht mehr zu fördern – was halten Sie davon?

Gamon: Die Frage ist für uns ähnlich jener nach der Förderwürdigkeit von "Krone" und Co zu beantworten: Es braucht zu allererst eine klare Definition dessen, was denn gefördert werden soll. In unseren Augen ist das Medienvielfalt, Qualität und Innovation. Diesen Parametern sind klare Kriterien zuzuordnen – je nach Erfüllen wird die Medienförderung (bis zu einem Sockelbetrag an Maximalförderung) ausgeschüttet. Und ja, wenn ein Medium diese Kriterien erfüllt, soll es grundsätzlich Zugang zur Förderung bekommen.

STANDARD: Sehen Sie insgesamt Änderungsbedarf bei der Förderung elektronischer Medien (15 Millionen Privat-TV, drei Millionen Community-Sender, 13,5 TV-Produktionsförderung, Digitalförderung)?

Gamon: Wir wollen die gesamte Förderung im Medienbereich samt der Finanzierung des ORF unter der "Medienförderung neu" zusammenfassen.

STANDARD: Medienpolitisches Thema der vergangenen Monate war eine Reform der Presseförderung von derzeit 8,9 Millionen Euro. Die Verleger fordern eine Erhöhung. Welche Form der Presse- bzw. Medienförderung halten Sie für sinnvoll?

Gamon: Wir treten ebenfalls für eine gewichtige Erhöhung der Medienförderung ein. Eine "Medienförderung neu" soll die aktuelle direkte und indirekte Medienförderung ersetzen und somit der Schieflage entgegenwirken, die aktuell in Österreich besteht: Die öffentliche Hand fördert Medien in Form von Inseratschaltungen mit rund 200 Millionen Euro, die Presseförderung dagegen ist nicht einmal zehn Millionen Euro schwer. Dazu kommt der Medienmarkt-verzerrende ORF, der mit rund 600 Millionen Euro an öffentlichem Geld (via Gebühren) ausgestattet wird und mit dieser Marktmacht am freien Werbemarkt lukriert und dort mit den Privatmedien um deren wesentliche Geschäftsgrundlage ringt.

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda plante etwa eine hohe Basisförderung nach der Zahl der Journalisten für alle Tageszeitungen einschließlich Gratiszeitungen und ein Bonussystem etwa für Beteiligung am Presserat, moderierte Foren, Redaktionsstatute. Im Ergebnis würden etwa noch sehr profitable Massentitel die "Kronen Zeitung" oder die "Kleine Zeitung" rund 1,1 Millionen Euro bekommen wie auch "Die Presse" oder "DER STANDARD". Was halten Sie von diesem Modell?

Gamon: Wir sehen das grundsätzliche Vorhaben einer deutlich aufgestockten und kanalunabhängigen Medienförderung als Schritt in die richtige Richtung. Titel grundsätzlich von der Förderung auszuschließen halten wir für falsch. Die Medienförderung muss entlang klar definierter Kriterien vergeben werden.

STANDARD: Sollen bestimmte Branchen- und Qualitätssicherungsmaßnahmen wie die Teilnahme am Presserat Grundbedingung für Medien- oder Presseförderung sein?

Gamon: Ja, es braucht klare Qualitätskriterien für Medienförderung. Diese muss kanalunabhängig entlang von Kriterien, die auf die Schaffung und Sicherung von Qualität, Innovation und Vielfalt abzielen, vergeben werden. Im Detail stellen wir uns das so vor: Die "Medienförderung neu" folgt allen bisherigen Formen der direkten und indirekten Presseförderung und verfolgt primär einen universellen, medienunabhängigen Ansatz einer Public-Value-Inhalteförderung. Gefördert wird nicht der Erhalt von Infrastruktur zur Produktion oder Verbreitung, sondern der inhaltliche Output, der den gesellschaftlichen Mehrwert bildet.

Die Förderung kann von allen Medien beantragt werden und wird kanalunabhängig ausgeschüttet, wenn die Antragsteller gewisse organisatorische und wirtschaftliche Parameter erfüllen (zum Beispiel ein hoher Prozentsatz redaktioneller Inhalt, Zielgruppe in Österreich bzw. Österreicher im Ausland, verantwortlicher Herausgeber, Erscheinungsfrequenz, Reichweite, ethische Grundsätze).

Die "Medienförderung neu" steht allen privatwirtschaftlichen Medienunternehmen zur Verfügung. Sie garantiert auch die Basisfinanzierung des ORF. Zu diesem Behufe wird die Rundfunkgebühr abgeschichtet und im Budget ein entsprechendes Volumen aufgebaut.

Das Ausmaß der Förderung – mit zu definierendem Maximalförderbetrag – setzt sich aus drei Parametern zusammen: Public Value 40 Prozent, Medieninnovation 30 Prozent, Reichweite 30 Prozent. Die Bewertung erfolgt alle zwei Jahre durch eine Kommission, die aus Vertretern von Wissenschaft und Medien gleichermaßen beschickt wird.

MEDIENTRANSPARENZ

STANDARD: Sollen Regierungsinserate limitiert und/oder reglementiert werden und wenn ja, wie?

Gamon: Inserate von Regierungsseite sind nicht per se abzulehnen, da sie durchaus informativ sein können (und sollen), etwa "Wann beginnt die Schuleinschreibung" etc. Dass die öffentliche Hand jedoch rund 200 Millionen Euro im Jahr für Inserate ausgibt, die Presseförderung dabei aber nicht einmal zehn Millionen ausmacht, schafft ein Ungleichgewicht und bedroht die journalistische Unabhängigkeit.

Wir wollen eine nachhaltige Reduktion der Inserate der öffentlichen Hand im Allgemeinen und neben dem Reduzieren der Regierungsinserate (sowohl auf Landes- als auch Bundesseite) eine zentrale Koordination derselben.

GOOGLE/FACEBOOK

STANDARD: Wesentliche Teile der Onlinewerbung gehen – auch in Österreich – an Google und Facebook. Sehen Sie eine Möglichkeit, eine Onlinewerbeabgabe auch auf die Werbeeinnahmen von Google und Facebook aus Österreich einzuheben – und wäre das sinnvoll?

Gamon: Google und Facebook dürfen gegenüber anderen Unternehmen nicht bevorzugt behandelt werden. Anstatt aber die Werbesteuer auszuweiten, treten wir für ihre Abschaffung für alle Unternehmen ein.

STANDARD: Hasspostings: Sollen Plattformen wie Facebook oder Youtube medienrechtlichen Standards unterliegen?

Gamon: Es wäre zunächst zu klären, ob es sich bei FB oder Youtube um ein "Medium" handelt. In meinen Augen nicht, da es zum Beispiel keine Herausgeberverantwortung gibt. Der ganze Bereich Hate-Speech wäre unserer Vorstellung nach so anzugehen:

Der Graubereich zwischen strafrechtlicher Relevanz und Meinungsfreiheit ist zu beachten. Das ist kein Freibrief für Hetze und Hass – vielmehr muss auf eine starke staatliche Rechtsdurchsetzung geachtet werden. Dass kann kurz- und mittelfristig geschehen. Dafür braucht es aber viel mehr Kapazitäten und eine entsprechende Ausbildung auf Beamtenseite.

Flankierend dazu muss auf das wahrscheinlich wirksamste, aber auch erst langfristig wirkende Mittel gegen Hass im Netz gesetzt werden: Bildung. Wir haben in den Schulen immer noch keinen einheitlichen Lehr-Leitfaden für so ein wesentliches Thema.

Schul- und Bildungsthemen müssen den realen Anforderungen der Digitalisierung gerecht werden – Medienkompetenz muss fächerübergreifend gelehrt werden: Experten schlagen vor, dass ab dem zehnten bis zum zwölften Lebensjahr Jugendliche über die Themenbereiche sexueller Missbrauch, Kinderpornografie, Grooming, Cyberbullying (als Opfer wie Täter), Hassbotschaften, Betrugsfallen und die Nichtamnesie des Internets aufgeklärt werden müssen.

INFOFREIHEIT

STANDARD: Das Forum Informationsfreiheit fordert – nach Vorbild Hamburgs – ein Transparenz-Gesetz, das Behörden zur Auskunft und Veröffentlichung von Verträgen, Dokumenten, Daten verpflichtet. Wäre das sinnvoll, und wenn ja, in welcher Form?

Gamon: Wir finden, dass sich die Republik zur umfassenden Transparenz des staatlichen Handelns bekennen sollte. Deswegen fordern wir auch schon seit langem ein bundesweites Informationsfreiheitsgesetz. Personen sollten auch, ohne direkt betroffen zu sein, das Recht haben, Informationen über Angelegenheiten des Wirkungsbereichs der jeweiligen Behörde zu erhalten. Natürlich muss es gewisse Bereiche geben, die von dieser Informationspflicht ausgenommen werden. Darunter fallen zum Beispiel Datenschutzinteressen Dritter nach dem DSG, militärische Landesverteidigung, Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder wichtige außenpolitische Interessen der Republik.

ÜBERWACHUNG

STANDARD: Sind die Möglichkeiten der österreichischen Behörden zur Überwachung persönlicher Daten und Kommunikation ausreichend, gehen sie zu weit oder zu wenig weit?

Gamon: Die Vorlage zur Novellierung des Strafprozessrechtsänderungsgesetz, die unter anderem die Legalisierung eines Bundestrojaners vorsieht, stehen wir sehr kritisch gegenüber. Ein Mehr an Daten ist kein Mehr an Sicherheit. Ohne eine erweiterte Gefahrenerforschung grundsätzlich ablehnen zu wollen, fordern wir vor jeder neu zu implementierenden Überwachungsmaßnahme eine Evaluierung der bestehenden.

Neue Überwachungsmaßnahmen dürfen die Grundrechte der Bürger nicht verletzen und müssen mit ausreichend Kontrollmechanismen ausgestattet werden. (Harald Fidler, 11.10.2017)