Sonnentor zahlte für die ersten Filialen Lehrgeld. Mittlerweile hält der Kräuterhändler 100 für realistisch.

Foto: Sonnentor

Wien – "Ein Franchisegeber muss sich zuerst einmal selbst verkohlte Finger holen. Sich nur einen zu suchen, der einem Risiko und Investitionen abnimmt, das spielt es nicht." Johannes Gutmann, Gründer des Biokräuterhändlers Sonnentor, ist zuversichtlich, im Lauf seines Lebens noch die 100. Filiale mit Partnern aufzusperren.

28 Shops führt er derzeit, neun davon in Eigenregie. 2016 stieg ihr Umsatz in Summe um 18 Prozent. Jüngst kamen Niederlassungen in Prag, Aachen und Villach hinzu. Anlass, Franchising per se über den grünen Klee zu loben, sieht er dennoch keinen. "Es gibt wie überall Schattenseiten."

Fünf Jahre lang sammelte Gutmann mit eigenen Geschäften Erfahrung, ehe er sich dazu in der Lage fühlte, diese mit Partnern zu multiplizieren. "Mit Bomben und Granaten" habe er in dieser Zeit etwa einen Standort im Wiener Museumsquartier versenkt, erinnert er sich – ehe er gelernt habe, worauf es im Einzelhandel ankommt.

Franchisehandbuch

Mehr als zwei Jahre lang arbeitete Sonnentor an einem Franchisehandbuch. "2008 hatten wir großes Glück, den richtigen Partner zu finden. Es muss einer sein, der sich selbst in den Laden stellt, der dafür brennt. Ansonsten kann man das Ganze bald vergessen."

Immer wieder treffe er auf Interessenten für Sonnentor, die meinen, es laufe alles von allein, und die einen Franchisevertrag als Art Veranlagung betrachten. Nicht dass er keinem einen Ferrari vor der Haustür gönne, sagt Gutmann, aber in einem Jahr reich zu werden sei nicht drinnen. Zu seinen besten Partnern zählten jedenfalls weniger alternative Weltverbesserer als ehemalige Managerinnen, die irgendwann raus aus dem Hamsterrad großer Unternehmen wollten.

Österreich zählt gut 8.000 Franchisenehmer, die 10.400 Standorte betreiben – in 440 unterschiedlichen Systemen. Zum Vergleich: Vor knapp 20 Jahren gab es hierzulande 3.900 Franchisenehmer in 280 entsprechenden Systemen.

Sieben Prozent mehr Umsatz

Von 2014 bis 2016 stieg ihr Umsatz um sieben Prozent auf mehr als neun Milliarden Euro, errechnete die Privat-Uni Schloss Seeberg im Auftrag des Franchiseverbands und der Wirtschaftskammer.

Die Universität befragte für ihre Studie 72 Franchisenehmer. Drei Viertel davon waren frühere Angestellte, 24 Prozent bereits zuvor selbstständig. 76 Prozent sind mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden, 43 Prozent mit dem Einkommen. Im Schnitt bedarf es für einen Standort Investitionen von gut 120.000 Euro. Weiters sind 13.000 Euro an Einstiegsgebühren nötig. Verdienen lassen sich damit durchschnittlich 50.000 bis 60.000 Euro jährlich, schätzt Andreas Haider, Präsident des Franchiseverbands.

Handfeste Zahlen für den österreichischen Markt will 2018 Felix Peckert, Chef des deutschen Instituts für Markenfranchise, liefern. Er sieht die Branche unter starken Nachfolgeproblemen leiden, sagt er im STANDARD-Gespräch.

"Geld und Know-how fehlen"

Vielen Franchisezentralen fehle es an Geld und Know-how. "Sie haben Angst, Partner zu verlieren, was zu Friktionen führt, wenn jemand das System verlassen will." Außerdem sei für viele Expansion kein Selbstverständnis. "Es ist immer noch verpönt, wenn etwa ein Partner mehrere Standorte aufmachen will." Beides müsse zugelassen werden. In den USA etwa gebe es fixe Mechanismen, wie Filialen zweitvermarktet werden.

Das Kapitel Franchising abgeschlossen hat Willibald Diem. Er gründete mit seiner Frau 1995 das Figurstudio Shape-Line. 2016 traten sie dieses an Investoren ab, ein Jahr später ging der Betrieb "aufgrund von Managementfehlern" pleite. Familie Diem kaufte ihn im September aus der Masse zurück.

Seither arbeitet sie über Depotverträge, die etwa auch die Kosmetikindustrie pflegt. Für seine Partner bedeute das mehr Freiheit und weniger Kosten, sagt Diem. Eineinhalb Seiten umfasse ein derartiger Vertrag, 36 waren es als Franchisesystem. Um dieses sauber zu halten, brauche es halt viele Spielregeln, zieht Diem Bilanz. Er selbst sehe, dass Franchisegeber in Österreich jedoch mittlerweile weitaus mehr Pflichten als Rechte haben.

Wobei das Modell nicht selten auch als vermeintlicher Rettungsanker herhalten muss: Der Supermarkt Zielpunkt wie die Drogeriekette Dayli wollten einst ihre Mitarbeiter dazu bewegen, Filialen zu übernehmen – nur kurz bevor sie in die Insolvenz schlitterten. (Verena Kainrath, 11.10.2017)