Schaut lässig aus, wie er da lehnt. Beck hat ein neues Album gemacht. Es ist sein bisher schlechtestes.

Wäre da nicht die Stimme, man würde einen Irrtum vermuten. Einen Programmierfehler seitens der Plattenfirma. Falsches Album hochgeladen, so etwas in der Art. Die Stimme aber, die belegt eindeutig, er ist es. Beck hat ein neues Album gemacht. "Colors" heißt es und erscheint diesen Freitag. Hätte man es physisch vorliegen, würde man es drehen, wenden, nach Hinweisen suchen, die es einem irgendwie erhellen. Denn man hört gerade den Song "Wow".

Das ist das siebente Lied, und man kann sich nicht erinnern, je so ein schlechtes Lied von Beck gehört zu haben. Abgesehen von den sechs davor. "Jesus Christus!", möchte man ungläubig ausrufen, doch dazu fehlt der andere Glaube.

Becks Song "Wow" – "Oje" wäre ein passenderer Titel.
BeckVEVO

Also versucht man sich das alles irgendwie zusammenreimen. Die naheliegendste Erklärung ist die Ironie. Beck Hansen hat damit eine Weltkarriere gemacht, sie folgt ihm wie ein Schatten. Immerhin machte ihn ein Song namens "Loser" zum Star, das verpflichtet. 1994 war das. Das Album dazu hieß "Mellow Gold", und die Ironie feierte in der Popmusik gerade fröhliche Urstände.

Ironische Brechung

Der Underground war damals eben in den Mainstream eingebrochen, und der junge, schlaksige Typ mit den Klamotten aus dem Heilsarmeeshop war ein weiteres Indiz der Veränderung. Der Einsatz der ironischen Brechungen füllte damals die Diskursseiten der Fachmagazine, oft war nicht klar, ob manche Thesen nicht längst selbst darin aufgegangen waren.

Becks Musik durchmaß nach Lust und Irrsinn Stile wie Rock, Folk und Hip-Hop – alles möglichst schäbig gehalten, lässig zusammengeschustert, bloß nicht zu poliert. Raw Power mit Arschhängehose und Pudelmütze. Das Understatement des Blonden war fast schon penetrant.

Zickzackkurs

Dennoch, die Welt lag dem Milchgesicht zu Füßen, das revanchierte sich erwartungsgemäß unberechenbar mit einem Folk- und Countryalbum auf einem Indielabel, bevor er mit "Odelay" nachlegte und damit 1996 zur Meisterschaft brachte, was er mit "Mellow Gold" begonnen hatte. "Odelay" zählt heute zu den epochemachenden Alben.

Seine weiteren Veröffentlichungen bildeten einen bald routiniert wirkenden Zickzackkurs ab: folkige Alben, funkige, poppige, zuletzt, 2014, wieder ein Folk-Album, dessen vermeintliche Schwere an Becks bubenhafter Stimme scheiterte. Morbus Kurz.

Maroon 5?

Zum Zwecke der Ausgeglichenheit wollte er noch im selben Jahr ein weiteres Album raushauen. Doch seine Plattenfirma hat ihn natürlich gefragt, ob er ein bisserl deppert sei, also hat es bis 2017 gedauert. Ob sie ihm angesichts von "Colors" dieselbe Frage gestellt haben, ist nicht bekannt. Aufgedrängt hätte sie sich, denn als normaler Mensch weiß man ja gar nicht, wer solche Musik sonst macht. Maroon 5 – oder wie die heißen?

"Colors" wäre gerne ein Popalbum. Doch sein Hochglanz schimmert nicht, seine Stromlinienform ist gänzlich unedel, zum Drüberstreuen ist das Cover noch schiach. Die zehn Lieder verflachen mit jedem Hördurchgang. Die Flöten aus dem Synthesizer im Titelsong darf man ung'schaut als Omen für den darauffolgenden Rest deuten. Würde Justin Bieber mit 47 Jahren dieses Album veröffentlichen, könnte man von einem reifen Alterswerk sprechen. Beck geht den umgekehrten Weg und baut dafür ordentlich ab. Mit vollem Aufwand.

Berieselungsgiganten

Produziert hat das Ding nämlich Greg Kurstin. Der spielte in einem früheren Leben einmal in Becks Liveband, heute produziert er Acts wie Kylie Minogue, Adele, Katy Perry, James Blunt, Gwen Stefani und Stadionrocker.

BeckVEVO

Becks neues Album stellt sich in eine Reihe mit diesen Giganten nichtssagender Berieselungsmusik. Allein, wie er am Ende von "Seventh Heaven" in onkelhaftem Sprechgesang in eine Pause quatscht – unfassbar. Die vielgelittene Ironie verlangt an dieser Stelle nach dem Strick, ist am Ende. Als Erklärung taugt sie längst nicht mehr. Nur gerecht. Wäre ja noch schöner, wenn sich jeder Schmarren damit schönreden ließe. (Karl Fluch, 12.10.2017)