Die Musik war psychedelisch, die Haare waren lang. Doch Novaks Kapelle um Schlagzeuger und Gründer Erwin Novak (links) machte von Wien aus zwischen 1967 und 1979 Österreich für den Punkrock bereit.

Novaks Kapelle

Wien – Dass im Wien der 1960er-Jahre die schweigende Mehrheit den Langhaarigen noch den unfassbaren Wunsch "Vergasen!" nachgekeift hat und in den Wirtshäusern wegen des äußeren Erscheinungsbilds auch noch Lokalverbote ausgesprochen wurden, kann man sich heute zwar nicht mehr vorstellen. Na ja, doch. Die Nazis wachsen ja nach.

Dass Wien damals allerdings eine graue tote Stadt war mit grauen scheintoten Menschen darin, für die eine beige Freizeitjacke so etwas wie einen Farbtupfer im grauen Alltag darstellte, kann man sich dagegen sehr wohl ausmalen. Immerhin haben die 1960er-Jahre in Wien ja erst 20 Jahre später geendet. Da waren die zottigen Jazz-Beatles von früher allerdings schon selbst zu den (okay, bunter gekleideten) Spießern geworden, gegen die sie früher anschlurften, Drogen nahmen, Ausschweifen gingen – und in der Gesellschaft nicht oder zumindest nur fallweise funktionieren wollten.

Die Haare waren kurz vor dem damaligen, als Schicksaljahr beschworenen und dann eh nicht eingetretenen "1984" wieder so kurz, wie es sich die zu dieser Zeit zumindest im Original langsam aussterbenden Nazis immer gewünscht hatten. Und irgendwie wurde alles doch noch besser. Jetzt einmal von den Bundesländern her gesehen: Es regierte zwar mit Kreisky ein roter Sozi – aber alles kann man im Leben halt auch nicht haben. Oder um es wienerisch zu formulieren: Ganz g'schissen war es damals eh nicht mehr.

novakskapelle

Novaks Kapelle hatten sich dazwischen längst aufgerieben. Zwischen 1967 und 1979 mehr oder weniger intensiv aktiv, war die Band rund um ihren Gründer und Schlagzeuger Erwin Novak von vornherein eine Provokation. Sie fuhr mit Haaren, Haaren, Haaren, hautengen Jeans, bauchfreien T-Shirts und dem Konsum jenseits von Blauburgunder und Welschriesling angesiedelter Drogen nicht nur den Kleinkarierten mit dem Mittelfinger ins Gesicht.

Renitenz und Horrortrips

Trotz ihrer beim lichtscheuen und bloßfüßigen Zielpublikum sehr gut ankommenden Musik im Geiste des zünftig gedroschenen Psychedelic Rock mit leicht hysterischer, etwas verschnupft klingender Kopfstimme und dazugehöriger, in die Stirnhöhle schneidender Acid-Gitarre sowie einer kaum im Zaum gehaltenen Rhythmusgruppe rückte man schon Ende der Sechzigerjahre, relativ frühzeitig für die spätere renitente Haltung des Punk, gleich gegen alle vor. Dementsprechend waren bei Konzerten die Zwischenansagen immer auch Publikumsbeschimpfungen. Gesungen wurde englisch, beleidigt auf Deutsch.

Sänger Walla Mauritz dazu: "Wir haben das Publikum ja immer gehasst. Das war für uns eine Verkörperung des Bürgertums, auf das wir geschissen haben. Selbst wenn die Leute jung waren, denn im Grunde musste man denen genauso den Oasch zeigen wie den Alten."

novakskapelle

Nachzulesen ist dies im Booklet der Doppel-CD Fartwind (ja, ohne h!), einer kompletten Werkschau des relativ schmalen Werks von Novaks Kapelle. Ihre 1968 veröffentlichte Debütsingle Hypodermic Needle, ein Song über einen Heroinhorrortrip des Sängers vor Publikum, konnte sich damals drei Wochen auf Platz eins der Ö3-Hitparade halten. Bekannt schlechte Fremdsprachenkenntnisse der Österreicher haben auch ihre Vorteile.

Schon die zweite Single, Smile Please von 1969, wurde dank der Aufforderung, Polizisten zusammenzuschlagen, dann trotz des Englischen doch verstanden. Spielverbot im Radio und wütende Zeitungsartikel waren die Folge. In der Endphase, man rockte nun etwas weniger verdaddelt, wollte sich Novaks Kapelle dann auch nicht mehr so richtig dem Publikum verweigern – und verweigerte sich durch Auflösung. Das Album Naked von 1978 mit drei nackten Frauen auf dem "Skandalcover" war ein später, gegen sich selbst gerichteter Gnadenschuss.

Inzwischen ist man vier Jahrzehnte untereinander zerstritten (Frauen, Drogen, Längenvergleiche, das Übliche). Die CD-Präsentation muss also ohne Konzert und ohne alle früheren Mitglieder stattfinden, zu denen kurz auch Harri Stojka gehörte. (Christian Schachinger, 12.10.2017)