Nach Wochen des Wahlkampfs hat Österreich gewählt. Nicht minder nervenaufreibend für die Parteien werden die kommenden Wochen der Sondierungen und Koalitionsfindungen sein. Nach einer erbittert geführten Wahlauseinandersetzung muss ein Weg hin zu einer Regierung gefunden werden. Dabei werden Interessen der Landesparteien ebenso eine Rolle spielen wie die der Gewerkschaften, Bünde und Landesregierungen.

Schwarz-Blau und Rot-Blau sind wohl die wahrscheinlichsten Regierungskonstellationen. DER STANDARD hat sich angesehen, wo diese beiden Regierungsformen – und andere Varianten – mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen haben, und so Österreich grafisch neu verortet.

Diese Geografie der Nationalratswahl zeigt auch, dass die Wahl Österreich in Stadt und Land getrennt hat – und das in großem Ausmaß, verglichen mit der Wahl 2013. Seen und neue Landmassen sind so entstanden.

1. Die Koalition der großen Landmasse

Das Österreich der schwarz-blauen Mehrheit im Jahr 2017.

Die größte Mehrheit im neuen Parlament hätten Volkspartei und Freiheitliche gemeinsam. Dieses Österreich einer schwarz-blauen Koalition wäre allerdings ein Land ohne große Städte. Weder in Wien noch in Linz, Graz oder Innsbruck haben Volkspartei und Freiheitliche gemeinsam mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Urbane Räume sind die beinahe einzigen Lücken von Schwarz-Blau.

Das Stadt-Land-Gefälle war auch bei der Wahl 2013 bereits ersichtlich, diesmal ist die Landmasse jedoch deutlich angewachsen. Vor allem in Kärnten und der Steiermark konnte die ÖVP-FPÖ-Kombination zulegen. Sie erzielte österreichweit 57,6 Prozent der Stimmen und 113 der 183 Mandate.

Das Österreich der schwarz-blauen Mehrheit im Jahr 2013.

2. Rot-blaues Kernland

Auf etwas weniger Zustimmung kamen SPÖ und FPÖ bei der Nationalratswahl, zusammen reichte es aber für 54,9 Prozent der Wählerstimmen und voraussichtlich 103 Mandate.

Deutlich kompakter als bei Schwarz-Blau erscheint das Österreich der rot-blauen Mehrheit. Hier sind es vor allem der städtische und industrielle Raum der Obersteiermark sowie Kärnten, die SPÖ und FPÖ zu mehr als 50 Prozent der Stimmen verholfen haben. Niederösterreich ist zu einer Inselgruppe zerfallen, und in Westösterreich sind es nur kleine Gebiete, die nicht im Meer versinken. Weiteres Kerngebiet des rot-blauen Österreich ist Oberösterreich.

3. Die große Koalition der neuen Seen

Böse Zungen behaupten ja, unter der großen Koalition habe sich in Österreich kaum etwas getan. Wenigstens in Bezug auf unsere Karten behalten sie recht: Sucht man nach schwarz-roten Mehrheiten, liegt Österreich fast unverändert da – ein paar mehr (und größere) Seen gibt es in Kärnten, Oberösterreich und der Steiermark, in den anderen Bundesländern bilden sich allenfalls einzelne neue Wasserkörper. Bemerkenswert: Keine einzige Landeshauptstadt ist in dieser Konstellation landunter.

4. Linksliberales Inselatoll

Das Österreich der linken und liberalen Kräfte, die im Parlament vertreten sein werden, ist ein versprengtes Atoll aus vorwiegend roten Hochburgen. Wien bleibt in großen Teilen erhalten, die verbleibenden Bezirke schließen einen Inselring um den See, an dessen Stelle sich üblicherweise der erste Bezirk findet.

Das westliche Ende des Landes ist bereits in Mallnitz erreicht, eigentlich eine Gemeinde im Herzen Österreichs an der Grenze Kärntens zu Salzburg. Ausgerechnet der hochalpine Westen ist im Meer versunken. Bei der Wahl erreichten SPÖ, Neos und Liste Pilz zusammen lediglich 36,5 Prozent der Stimmen.

5. Das Dirndl wäre eine Inselgruppe

Obwohl sie nicht Wirklichkeit werden wird: Die Dirndlkoalition aus ÖVP, Neos und Grünen war vor der Wahl ein Gedankenexperiment – für ÖVP-Anhänger, die ihre Partei gern als weitaus stärkste Kraft in einer Koalition gesehen hätten, genauso wie für Anhänger der Neos und der Grünen, die einer ÖVP-geführten Regierung gern einen fortschrittlichen Anstrich verliehen hätten.

So, mit 39,5 Prozent der Stimmen, bleibt das Österreich der Dirndlkoalition ein fiktives, aber reizvolles Urlaubsziel: Vom Bregenzerwald über den Alpenhauptkamm bis ins Waldviertel bleiben viele Regionen Österreichs erhalten. Dazu kommt vor allem eines, was Österreich ein wenig abgeht: sehr viel Meerwasser. (Sebastian Kienzl, Sebastian Pumberger, 19.10.2017)