Wie viel Hund kann man sich mit dem verdienten Geld eigentlich leisten? Der Internationale Währungsfonds schlägt in einer neuer Studie jedenfalls vor, die Spitzensteuersätze zu erhöhen.

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Seit dem Triumph Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen und dem Pro-Brexit-Votum der Briten interessieren sich die internationalen Wirtschaftsinstitutionen plötzlich immens für Globalisierungsverlierer. Um Protektionismus und Nationalismus zu bremsen, müssen die abgehängten Mitglieder der Gesellschaft wieder Anschluss finden, fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) regelmäßig. Das Problem ist, dass es bisher wenig konkrete Vorschläge dazu gab, wie das geschehen soll. Der Erforschung sozialpolitischer Fragen widmete die Organisation lange Zeit wenig Aufmerksamkeit.

Doch das ändert sich. Am Mittwoch hat der IWF im Zuge seiner Jahrestagung in Washington eine umfangreiche Studie zu Ungleichheit vorgestellt. Der Tenor des Papiers ist aus Sicht der Fonds ungewöhnlich: Denn die Experten deuten an, dass der internationale Steuerwettbewerb zwischen Ländern zu weit gegangen sein könnte. Wenn Staaten die wachsende soziale Kluft bekämpfen wollen, sollten sie an Steuerschrauben drehen.

Kein Ausgleich mehr

In ihrer Analyse ("Tackling Inequality") ziehen die Ökonomen des Währungsfonds eine gemischte Bilanz. Die Ungleichheit bei den Einkommen zwischen einzelnen Ländern ist in den vergangenen 30 Jahren stark zurückgegangen. Das liege daran, dass in aufstrebenden Volkswirtschaften wie China und Indien die Mittelschicht rasant gewachsen ist.

Zugleich ist die Einkommensungleichheit weltweit innerhalb jedes zweiten Landes aber gestiegen. Ein Grund dürfte sein, dass besser ausgebildete und spezialisierte Arbeitnehmer heute begehrter sind. Sie profitieren von Lohnsteigerungen stärker als ungelernte Arbeitskräfte. Laut Währungsfonds haben staatliche Transferleistungen zwischen 1985 und 1995 den größten Teil der wachsenden Kluft bei den Markteinkommen ausgeglichen. Doch später war das nicht mehr der Fall, weshalb die verfügbaren Einkommen auseinanderdriften.

Wachstum unberührt

Um die Entwicklung zu stoppen, wären höhere Spitzensteuersätze bei Personeneinkommen eine sinnvolle Option, so der Fonds. Damit ließe sich die Kluft reduzieren, weil oben etwas weniger ankommen würde, während unten etwas mehr verteilt werden kann.

In den vergangenen Jahrzehnten sind die Spitzensteuersätze bei den Personeneinkommen in Industrieländern zurückgegangen, im Schnitt von 62 Prozent auf heute 35 Prozent. Als Richtwert wären 44 Prozent zu empfehlen, so der Währungsfonds. Für Österreich ergibt sich daraus kein Handlungsbedarf. Hier liegen die Spitzensteuersätze ziemlich genau bei der genannten Höhe, wenn man die Begünstigung für das 13. und 14. Monatsgehalt berücksichtigt.

Aber sind höhere Steuern nicht schädlich für das Wachstum, weil sie Menschen davon abhalten mehr zu arbeiten? Nein, sagt der Währungsfonds. Er hat bei einer Auswahl von Industrieländern untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen stärkerer Progressivität im Steuersystem und Wachstum gibt. Die Ergebnisse legen nahe, dass es keinen nennenswerten Konnex gibt, heißt es.

Inklusives Wachstum

"Inklusives Wachstum zu schaffen sollte eines der obersten Anliegen der Politik sein", sagte der Ökonom Vítor Gaspar, der die Arbeit an der Studie leitete. "Wir wollten zeigen, dass es dafür einige Optionen gibt." Die IWF-Leute analysieren weitere Ideen, wobei sie bei der Bewertung dieser Maßnahmen vorsichtiger sind. Wenn Länder die Ungleichheit bei Vermögen senken wollen, wäre es ratsamer, nicht Vermögen, sondern nur die Vermögensübertragung zu besteuern, heißt es im Report. Eine Möglichkeit dafür wäre, Erbschaftssteuer mit Freibeträgen einzuführen oder die Übertragung von Immobilien zu versteuern. Der IWF widmet sich sogar der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das Konzept sieht vor, dass jeder Bürger nur mehr eine einzige staatliche Unterstützung erhält – aber unabhängig davon, ob jemand arbeitet oder nicht.

Ein Grundeinkommen könnte in den USA und Großbritannien die Ungleichheit reduzieren, die Maßnahme wäre aber immens teuer. (András Szigetvari aus Washington, 12.10.2017)