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Hart, aber mit möglichen Auswegen: Spaniens Premier Mariano Rajoy bekräftigte am Donnerstag im Parlament seine Forderung an Barcelona, klarere Aussagen über den eigenen Status zu treffen.

Foto: AP / Paul White

Madrid greift nach der Anwendung von Artikel 155 der spanischen Verfassung: Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy teilte am Mittwoch mit, dass die spanische Zentralregierung die Autonomieregierung Kataloniens förmlich aufgefordert habe klarzustellen, ob der katalanische Präsident Carles Puigdemont bei seiner Ansprache am Dienstagabend die Unabhängigkeit der Region erklärt habe oder eben nicht.

"In der Antwort, die der Präsident auf diese Frage gibt, wird sich abzeichnen, was in den nächsten Tagen passiert", sagte Rajoy, der auf die mögliche Aussetzung der Autonomiebefugnisse in Katalonien, wie dies der Artikel 155 für rebellische Regionen vorsieht, Bezug nahm. Madrid könne die Institutionen der Region selbst übernehmen. Am Nachmittag erklärte Rajoy dann im Parlament, Katalonien habe nicht das Recht, "gegen den Willen der Mehrheit der Katalanen" die Unabhängigkeit auszurufen. Die Unteilbarkeit Spaniens sei unverhandelbar, Vermittlung zwischen "Gesetz" und "Illegalität" zudem unmöglich.

Rajoy wirbt seit dem Ende der Ansprache Puigdemonts beim sozialistischen PSOE und bei den rechtsliberalen Ciudadanos um Unterstützung für mögliche harte Maßnahmen. Der sozialdemokratische Generalsekretär Pedro Sánchez erklärte, er stehe hinter dem Vorgehen Rajoys. Diesem stimme er auch darin zu, "dass die Zeit gekommen ist, eine Verfassungsreform anzugehen".

Ciudadanos-Chef Albert Rivera besteht seit Tagen auf der Aussetzung der Autonomie Kataloniens, um dann Neuwahlen in der Region auszurufen. Nur Unidos Podemos fordert einen Dialog ohne Vorbedingungen statt einstiger Maßnahmen aus Madrid. Parteichef Pablo Iglesias lobte Puigdemont für seine Besonnenheit. Es gehe jetzt darum, im Dialog "die Katalanen zu verführen".

Unklare Rede

Nach der Ansprache von Puigdemont hatte nicht nur Rajoy Zweifel, was dieser denn nun erklärt habe, als er zuerst sagte, "dass Katalonien ein unabhängiger Staat in Form einer Republik wird", um gleich darauf zu beantragen, "dass das Parlament die Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung aussetzt", um dem Dialog eine Chance zu geben.

Politiker aller Parteien und die Teilnehmer an den politischen Talkshows streiten sich darüber, ob das nun eine Unabhängigkeitserklärung war oder nicht.

Das Verwirrspiel ist noch komplizierter. Denn nach der Ansprache Puigdemonts unterzeichneten 72 Abgeordnete des Autonomieparlaments eine Erklärung, in der sie keinen Zweifel an ihrem Willen aufkommen ließen: "Wir konstituieren die katalanische Republik als unabhängigen und souveränen, sozialen, demokratischen Rechtsstaat. Wir ordnen das Inkrafttreten des Gesetzes zum juristischen und funktionalen Übergang der Republik an", heißt es in der Erklärung.

Diese bleibt jedoch vorerst unwirksam, da Puigdemont ja selbst in seiner Rede die Aussetzung genau solcher Bestimmungen beantragte. Außerdem wurde die unterzeichnete Erklärung nicht beim Parlament eingereicht.

"Weitere Falle"

"Farce und Erpressung" titelt die spanische Tageszeitung El Mundo. "Eine weitere Falle", lautet die Überschrift des Leitartikels von El País. Die größte Tageszeitung des Landes spricht von "einem Ultimatum, das die Regierung auf keinen Fall akzeptieren kann". Anders das wichtigste Blatt in Katalonien, La Vanguardia: "Das Einzige, was sicher ist: Es gab keine einseitige Unabhängigkeitserklärung. Die Abenteurer, die dem Präsidenten (Puigdemont, Anm.) ins Ohr flüsterten, haben nicht triumphiert."

Auch wenn das Dokument, solange es dem katalanischen Parlament noch nicht offiziell vorliegt, keine juristische Gültigkeit hat, dient es durchaus als Drohkulisse. So kündigte etwa der Sprecher der katalanischen Regierung, Jordi Turull, vor Rajoys Auftritt an: "Wenn sie den Artikel 155 anwenden, werden wir konsequent sein." (Reiner Wandler aus Barcelona, 11.10.2017)