Wien – "Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt", zeigt sich der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ungerührt: Nach dem Prinzip "Wer nutzt, der zahlt – und keiner zahlt doppelt" werde Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen. Daran ändere auch die Klage der österreichischen Regierung nichts.

Die sieht das bekanntlich gänzlich anders. Die deutsche Maut sei eine Ausländermaut, bleibt Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) bei seiner Argumentationslinie. Geplant ist ja – wie berichtet -, dass alle Autofahrer eine sogenannte Infrastrukturabgabe zahlen müssen, Fahrzeughalter in Deutschland aber über die Kraftfahrzeugsteuer entlastet werden. Österreich – genauer das Bundeskanzleramt – klagt, wie angekündigt, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die ab Mitte 2019 geplante Abgabe. Noch am Donnerstag sei die Klage auf elektronischem Weg nach Luxemburg übermittelt worden, so der wahlkämpfende Minister, der bei einem Pressetermin scharfe Geschütze auffuhr.

In Stich gelassen von Brüssel

Die EU-Kommission, die eine dreimonatige Stellungnahmefrist verstreichen ließ und damit den Weg für das schon länger angedrohte Gerichtsverfahren freimachte, habe es verabsäumt, in der abgelaufenen Zeit für "Recht und Fairness" zu sorgen, so Leichtfried: "Sie hat sich gedrückt, Deutschland die Stirn zu bieten. Ich halte das Vorgehen wirklich für einen Skandal."

Die Kommission, die ihr Verfahren wegen einer möglichen Benachteiligung von Ausländern im Mai eingestellt hat, sieht sich allerdings nicht in der Pflicht. Sie sei bereit zu Vermittlungsgesprächen, wenn sie dazu aufgefordert würde, verlautbarte die EU-Kommission. Ansonsten handle es sich um einen Rechtsstreit zwischen den Ländern.

Beistand aus Deutschland

Nähergekommen sind sich diese bisher nicht. Mit dem deutschen Amtskollegen Dobrindt (CSU) – der Österreichs Aufbegehren wiederholt als Ösi-Maulerei klassifiziert hat – habe er am Mittwoch telefoniert, sagte Leichtfried: Dort sehe man der Klage entgegen. Ohne Reaktionen bleibt der Einspruch aus Österreich aber bei den Nachbarn nicht. Die Grünen machen Dobrindt für die Klage verantwortlich. Die SPD forderte, die Einführung der Maut bis zur EuGH-Entscheidung zu stoppen.

Sowohl Leichtfried als auch der Europarechtler Walter Obwexer hoffen jedenfalls auf einen Ausgang im Sinne Österreichs, und vor allem darauf, dass die Entscheidung des EuGH noch fällt, bevor die Maut startet. Sicher ist das aber nicht. Obwexer rechnet mit "Ende 2018 / Anfang 2019" . Die unionsrechtlichen Knackpunkte beruhen aus Obwexers Sicht auf einer "indirekten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit".

Die Klage ziele gegen Teile von zwei deutschen Gesetzen ab, die die neue Straßengebühr organisieren. Es geht um Teile des Infrastrukturabgabegesetzes und des zweiten Verkehrssteueränderungsgesetzes, durch die nicht nur Privatfahrer, sondern auch ausländische Transporteure benachteiligt würden. Leichtfried formuliert das so: "Deutsche zahlen nicht, weil sie Deutsche sind. Österreicher zahlen, weil sie Österreicher sind."

Die Niederlande wollen sich zunächst die rechtliche Begründung der Österreicher ansehen und dann entscheiden, ob sie auch den Austro-Weg beschreiten. (rebu, 12.10.2017)