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EU-Themen im Wahlkampf? Fehlanzeige.

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader

Der österreichische Wahlkampf steckt fest. Längst dominieren keine inhaltlichen Debatten mehr das Geschehen, sondern gefälschte Facebook-Seiten und ein Ausländer: Tal Silberstein. Leidtragende dürfte dabei in erster Linie die SPÖ sein, die sich ihrerseits bemüht, die Schuld den anderen zuzuschieben. Diese wiederum dürften froh sein, dass derzeit nicht die eigenen Inhalte im Vordergrund stehen, denn um die ist es dünn bestellt.

Die Migrationsfrage und mit ihr verknüpft der "unberechtigte Bezug" von Sozialleistungen steht ganz oben bei ÖVP und FPÖ, die Neos setzen auf Bildung, wobei da nur das Schlagwort vom Flügelheben hängenbleibt. Grüne bemühen sich, das Loch das Peter Pilz hinterlassen hat, zu stopfen. Und die SPÖ? Ein Schlingerkurs zwischen Start-ups und "holen Sie sich, was Ihnen zusteht". Alle zusammen fordern Gerechtigkeit und Fairness. Hier und da ist von Steuern die Rede, meist negativ konnotiert (Österreich böses Hochsteuerland). Möglich, dass in den Wahlprogrammen mehr Inhalt zu finden ist. Aber wer liest so etwas schon?

Inspiration von der EU

Was tut sich währenddessen auf EU-Ebene? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwähnte in seiner State-of-the-Union-Rede einige Aspekte, die auch österreichweit eine zentrale Rolle spielen: Digitalisierung und ihre Folgen, gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger, Rechtsstaat oder Bankenunion. Auch in den allgemeinen Prioritäten der aktuellen EU-Kommission ließen sich Anknüpfungspunkte finden: demokratischer Wandel, Energie und Klima, Jobs, Wachstum und Investments um nur einige zu nennen. Erst kürzlich wurde die Europäische Säule sozialer Rechte aus der Taufe gehoben, die drei höchst relevante Komponenten umfasst: Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, Faire Arbeitsbedingungen, Sozialschutz und soziale Inklusion.

All dies mag für einen Nationalratswahlkampf zu abstrakt sein, jedoch können diese Überschriften auf konkrete Probleme und "Lebensrealitäten" (© Bundeskanzler Kern) heruntergebrochen werden: faire Jobs, nachhaltige und würdige Arbeitsbedingungen (bis zur Pension), Absicherung von Härtefällen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Zugang zu und Qualität von sozialen Diensten und Bildung, frühkindliche Bildung et cetera. Viele dieser konkreten Handlungsfelder werden von der Europäischen Agentur zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) auf Basis EU-weiter Datenerhebungen beforscht. Ein Blick auf die Webseite reicht, um sich zu inspirieren.

Nationale Statistik

Um konkreten Handlungsbedarf für die politischen Akteure auszumachen, muss man aber gar nicht auf die EU-Ebene gehen. Es reicht ein Blick in das (seit 2012) von der Statistik Austria veröffentlichte Indikatorenset "Wie geht’s Österreich". Einige der Indikatoren zeigen Regenwolken: Die real verfügbaren Haushaltseinkommen sind seit 2008 stetig gesunken (die unteren Einkommensgruppen sind davon weit stärker betroffen); auch der Konsum geht zurück, einkommensschwächere Gruppen leiden im Schnitt an schlechterer Gesundheit (und haben eine geringere Lebenserwartung) und im Umweltbereich machen uns steigende Verkehrsbelastung durch LKWs, Treibhausgasemissionen und energetischer Endverbrauch zu schaffen. Der Wie-geht’s-Österreich-im-EU-Vergleich zeigt, dass wir in den meisten Schlüsselindikatoren immer noch im Spitzenfeld mitspielen, in der Entwicklung aber ins Stocken geraten sind.

Schlussfolgerungen für die Wahlkämpfenden

Auf dieser Basis könnte eine positive Erzählung über die Zukunft Österreichs (im Herzen der EU) verknüpft werden. Stattdessen herrscht das Angstthema vor: wie schotten wir uns vor Einwanderern ab? Wir verhindern wir Asylmissbrauch, wie Sozialmissbrauch? Und beim Thema Steuern wird immer gewarnt, Österreich habe bereits eine der höchsten Abgabenquoten in der EU. Dass jene Länder, die uns noch übertrumpfen – etwa Finnland, Schweden oder Dänemark –, auch die beste gesellschaftliche Qualität aufweisen, wird dabei nicht erwähnt. Die EU schließlich – deren Teil wir sind –, wird zumeist unter dem Imperativ der Subsidiarität abgehandelt, statt sich aktiv mit ihrer Weiterentwicklung und Österreichs Rolle dabei auseinanderzusetzen.

Man kann die Auffassung vertreten, dass Wahlen auf Basis unzureichender Informationen abgehalten werden. Sachverhalte werden verkürzt dargestellt, der Blick auf vermeintlich mehrheitstaugliche Themen gerichtet. Es wäre den Versuch wert, diese Logik einmal zu durchbrechen. Eher aber dann im nächsten Wahlkampf. (Franz Eiffe, 12.10.2017)