Ankara/Athen – Der "Schurkenstaat" war eine Erfindung von George W. Bush und seiner Berater. Nun muss sich das Natomitglied Türkei mit diesem Etikett herumschlagen. Politische Kommentatoren wie Robert Ellis in der britischen Zeitung "Independent" oder Cengiz Aktar in einem Beitrag des Senders Voice of America qualifizieren die Inhaftierung von Journalisten oder aber von Angehörigen ausländischer Staaten, mit denen Ankara Probleme hat, als "Schurkenpraktiken". Dass der Visabann, den die US-Botschaft in der Türkei erklärt hat, sonst nur für "Schurkenstaaten" wie den Iran, Nordkorea oder Somalia gilt, stützt nun den Paradigmenwechsel.

Die internationale Empörung über Gerichtsverfahren, die Auszeichnungen in Europa für türkische Regierungskritiker und andere diplomatische Rückschläge setzen Staatspräsident Tayyip Erdoğan und dessen Regierung dieser Tage besonders zu. So erklärte sich der republikanische US-Senator John McCain tief verstört über die Verurteilung der "Wall Street Journal"-Reporterin Ayla Albayrak am Mittwoch zu mehr als zwei Jahren Haft "aufgrund falscher Anklagen".

In Straßburg abgeblitzt

Ein anderes Gericht in Istanbul ordnete am ersten Verhandlungstag den Verbleib der deutschen Journalistin Mesale Tolu in der Untersuchungshaft an. Die parlamentarische Versammlung des Europarats verlieh zu Wochenbeginn den diesjährigen Václav-Havel-Preis für Menschenrechte an den inhaftierten türkischen Verfassungsrichter Murat Arslan. Zugleich wies der Europarat auch die zweite Liste der türkischen Regierung mit Kandidaten für die Nachfolge des türkischen Vizepräsidenten am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als unqualifiziert zurück.

Der ebenfalls inhaftierte Aufdeckerjournalist Ahmet Sik erhielt auf der Frankfurter Buchmesse den Raif-Badawi-Preis – so benannt nach dem zu zehn Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben verurteilten saudischen Blogger. Saudi-Arabien schaffte es bisher nicht auf Washingtons Liste der "Schurkenstaaten". (Markus Bernath, 12.10.2017)