"Ziemlich beste Freunde" werden sie wohl nicht mehr: Christian Kern und Sebastian Kurz bei der Elefantenrunde.

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Mit der sogenannten "Elefantenrunde", der Diskussion aller Spitzenkandidaten im ORF, ist die lange Serie von Zweierkonfrontationen und Diskussionen in privaten und öffentlichen Sendern am Donnerstagabend zu Ende gegangen.

Vor der fast zweistündigen (und im Vergleich mit den Zweierkonfrontationen sehr gemäßigt geführten) Diskussion sagte Bundeskanzler Christian Kern, dass es jetzt erst richtig losgehe, er wolle ein starkes Finish liefern. "Diesen Wahlkampf hätten wir uns wirklich sparen können", sagte er dann selbstkritisch – denn es gehe um Veränderung, wobei er gleich einen Rückgriff auf Bruno Kreisky machte, der vor fast 48 Jahren erstmals sozialistischer Bundeskanzler wurde. Auch Herausforderer Sebastian Kurz sagte, dass die Menschen im Land genug von dieser Art Wahlkampf hätten.

Kern misstraut dem Markt

Ihm gehe es darum, die wirtschaftlichen Erfolge der vergangenen Monate fortzusetzen – Vollbeschäftigung sei die Basis für die Finanzierung der Modernisierung des Landes, sagte Kern. Die unterschiedlichen Parteien hätten unterschiedliche Ansätze – er stehe für eine aktive Politik, den Marktkräften misstraue er. Das bedeute auch mehr aus dem Budget finanzierte Investitionen, vor allem in Infrastruktur. Neos-Klubchef Matthias Strolz widersprach: "Wenn wir Arbeitsplätze schaffen wollen, dann müssen wir Rahmenbedingungen für den Unternehmergeist schaffen."

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Von ÖVP-Chef Sebastian Kurz bekam Strolz viel Zustimmung: Aus seiner Sicht müsse man den Unternehmen weniger Steine in den Weg legen. Was es dringend brauche, seien weniger Regulierung und schnellere Entscheidungen, etwa zugunsten der dritten Piste in Wien-Schwechat, die seit 17 Jahren diskutiert wird.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verteidigte die von Moderatorin Claudia Reiterer angesprochene Einschätzung, dass er heutzutage moderater als früher auftritt. Und er klinkte sich in den Kanon von Strolz und Kurz ein, indem er die bürokratischen Hürden und die hohe Steuerbelastung kritisierte. Seinem Ausländerthema blieb er treu, indem er kritisierte, dass Zuwanderer aus östlichen EU-Ländern zu niedrigster Kollektivvertragseinstufung den höher eingestuften Österreichern Arbeitsplätze wegnehmen.

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Hier konnte Kurz anknüpfen und die "Zuwanderung ins Sozialsystem", die er schon in vielen anderen Fernsehauftritten kritisiert hatte, ablehnen. Der Ball ging sofort wieder zurück an Strache, der "Sach- statt Geldleistungen" für jene, die nicht in das Sozialsystem eingezahlt haben, forderte. Das würde die Sogwirkung reduzieren. Beifälliges Nicken von Kurz.

Die Sozialversicherungsträger würde Strache auf zwei (für EU-Bürger und für Drittstaatsangehörige) zusammenstutzen. Kern sieht da keine Dringlichkeit, aufgrund höherer Beschäftigung stehe ohnehin mehr Geld zur Verfügung. Kern will (anders als Kurz und Strache) sich bei der Mindestsicherung nicht auf das oberösterreichische, sondern lieber auf das Vorarlberger Modell orientieren.

Strache kritisierte Kurz dafür, dass es ihm nicht gelungen sei, Rückschiebungsabkommen für illegal im Land befindliche Ausländer abzuschließen. Von Strolz bekam er recht, wenn es darum geht, Wirtschaftsmigranten von Verfolgten klar zu unterscheiden – er ist für klare Regeln und deren klaren Vollzug. Kurz wiederholte seine Position, dass niemand, der schon in einem sicheren Land war, in Österreich um Schutz ansuchen können soll.

Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek versuchte die Zukunftsorientierung ihrer Partei in den Vordergrund zu stellen. Den anderen Parteien warf sie vor, Flucht und Zuwanderung zu vermischen. Es brauche ein europäisches Flüchtlings- und ein europäisches Zuwanderungssystem.

Bilanz der Unterschiede

Zeit, auch Bilanz zu ziehen: Es waren teilweise freundliche, ab und zu sachliche Gespräche, vielfach aber auch harte Schlagabtäusche. "Ziemlich beste Freunde" würden Kurz und Kern wohl nicht mehr, resümierte Armin Wolf in der "Zeit im Bild 2" am Mittwoch nach dem "Kanzlerduell".

Wolfs Studiogast Peter Filzmaier analysierte: "Diese beiden Parteien sind schon relativ lange in der Regierung. Wenn jetzt diese beiden Spitzenvertreter sagen, es gibt nur Probleme, dann sind irgendwie die vorherigen Regierungen schuld." Man habe "fast körperlich gespürt", dass Kern und Kurz persönlich nicht miteinander können. Filzmaier verwies auf Parallelen zum Wahlkampf 2008 – dennoch wurde anschließend die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP (beide geschwächt) fortgesetzt.

Allerdings mit anderen Personen. Vielleicht gelte das auch jetzt: "Dass einer von den beiden den jeweils anderen zum Kanzler machen würde, das kann ich mir in der Tat nicht vorstellen." Zerstrittene Elefanten tun sich schwer mit der Zusammenarbeit.

Und sonderlich populär ist die Zusammenarbeit auch nicht: Viele Umfragen haben in den letzten Jahren ergeben, dass auch die Wähler der Regierungsparteien mit der Regierungsarbeit nicht zufrieden sind – weil eben eine Koalitionsregierung auf Kompromissen beruht und die Wahlversprechen nur zu einem kleinen Teil (jenem, der von den gegenteiligen Versprechen des Koalitionspartners gerade noch zugelassen wird) umgesetzt werden können.

DER STANDARD ließ in der Vorwoche erheben, wie die Österreicherinnen und Österreicher die Aussichten auf eine Zusammenarbeit der Parteien nach der Wahl einschätzen. 813 repräsentativ ausgewählte Wahlberechtigte wurden vom Linzer Market-Institut gefragt: "Nach den im Wahlkampf recht kritischen Aussagen über die jeweils anderen Parteien und unabhängig davon, ob sich eine Mehrheit zwischen den zwei Parteien ausgeht: Zwischen welchen Parteien ist Ihrer Meinung nach eine Zusammenarbeit nach den Wahlen grundsätzlich möglich?"

  • Weitgehender Konsens herrscht darüber, dass eine Kooperation von ÖVP und FPÖ funktionieren würde – 64 Prozent teilen diese Ansicht, überdurchschnittlich stark ist diese Einschätzung in den Wählerschaften von FPÖ, Neos, Pilz und ÖVP vertreten. Sozialdemokraten und Grüne sind skeptischer, aber mehrheitlich der Ansicht, dass das möglich wäre.
  • Rot-Grün wird von 41 Prozent als fähig zur Zusammenarbeit eingeschätzt – besonders von jüngeren und hochgebildeten Befragten. Rechnerisch wahrscheinlich ist es allerdings nicht. Dasselbe gilt für die von 37 Prozent als tauglich angesehene Koalition ÖVP-Neos.
  • Die bisherige Koalition von SPÖ und ÖVP sehen nur 35 Prozent als grundsätzlich weiterhin möglich an – in überdurchschnittlichem Maß tun das SPÖ-Anhänger und Befragte, die Alexander Van der Bellen gewählt haben.
  • Eine SPÖ-FPÖ-Koalition sehen nur 23 Prozent als tauglich an – ein Zusammengehen der SPÖ mit der Liste Pilz sowie SPÖ-Neos (beides rechnerisch unwahrscheinlich) werden mit 32 beziehungsweise 25 Prozent von mehr Personen als funktionstüchtig gesehen.
  • In den Augen der Wahlberechtigten offenbar gar nicht möglich ist eine Zusammenarbeit der FPÖ mit den Grünen (die halten nur zwei Prozent für funktionstüchtig) oder der FPÖ mit der Liste Pilz (sieben Prozent).

Die möglichen Kooperationen waren schließlich auch Thema der Elefantenrunde. Neos-Chef Strolz deutete jedenfalls auch bei dieser Gelegenheit an, dass, "wer immer in der Regierung" sei, in der nächsten Legislaturperiode mit anderen zusammenarbeiten solle. Er würde sich sofort um eine Bildungsreform kümmern.

Kurz wiederholte, dass er im Wahlkampf erlebe, dass SPÖ und FPÖ große Unterschiede betonen – in Wahrheit aber gute Vorgespräche geführt würden. Rot-Blau könne nur durch Stärkung der ÖVP verhindert werden. Strache wies das zurück, und Kern ging auf die rot-blaue Variante gar nicht ein, sondern nannte als sein Ziel die Verhinderung von Schwarz-Blau. (Conrad Seidl, 12.10.2017)