Erbil – An der Grenze zwischen der autonomen Kurdenregion im Nordirak und dem Rest des Landes steigen die Spannungen: Die Regionalregierung warf der irakischen Zentralregierung am Freitag vor, Truppen an der Grenze zusammenzuziehen und einen Angriff vorzubereiten. Sie versetzte die kurdischen Peschmerga-Kämpfer in der Region Kirkuk in Gefechtsbereitschaft. Tausende schwerbewaffnete Kämpfer seien "zur Verteidigung um jeden Preis" bereit, sagte ein Berater von Kurdenpräsident Massud Barzani.

Zehntausende seien bereits vor Ort, zitiert der kurdische Fernsehsender Rudaw den Vizepräsidenten der Region, Kosrat Rassul. Mindestens 6.000 Peschmerga seien seit Donnerstagabend dazugekommen.

Ölreiche Provinz Kirkuk im Fokus

Der Sicherheitsrat der Kurdenregion stützte seine Einschätzung zu einem möglichen Angriff durch paramilitärische Milizen und die irakische Armee auf geheimdienstliche Erkenntnisse. Die irakische Zentralregierung plane die Besetzung grenznaher Ölfelder, eines Flughafens und eines Militärstützpunkts, erklärte der kurdische Sicherheitsrat.

Dafür habe sie Panzer und schwere Artillerie an der Grenze nahe Kirkuk mobilisiert. Die Kurden riefen Bagdad dazu auf, "die Aggression zu stoppen". Sowohl die Kurden als auch Bagdad erheben Ansprüche auf die ölreiche Provinz Kirkuk.

Interventionsabsicht zunächst dementiert

Bereits am Vortag hatten kurdische Sicherheitskräfte in Erwartung einer bevorstehenden Offensive der irakischen Armee und ihrer Milizen stundenlang eine wichtige Überlandstraße blockiert. Der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi dementierte aber jegliche Interventionsabsicht: "Wir werden unsere Armee nicht für einen Krieg gegen unsere kurdischen Mitbürger einsetzen", sagte er am Donnerstag. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte am Freitag allerdings einen irakischen General, der bereits von einer Militäroperation zur Rückeroberung von Kirkuk sprach.

Wegen des Unabhängigkeitsreferendums in der Kurdenregion sind die Spannungen zuletzt gestiegen. Die irakischen Kurden hatten sich am 25. September mit fast 93 Prozent für die Loslösung vom Irak ausgesprochen. International wird die Abstimmung nicht anerkannt, für die Zentralregierung ist sie illegal. (APA, red, 13.10.2017)