Die Einkommensunterschiede sind so hanebüchen, dass es gut wäre, jeden einzelnen Tag im Jahr darauf aufmerksam zu machen.

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Heute ist wieder so einer dieser Tage: Freitag, der 13. In Österreich wurde heuer der Equal Pay Day ausgerufen, und das zum zweiten Mal in diesem Jahr: Schon am 4. März 2017 war auf die Lohnlücke aufmerksam gemacht worden. Gut 17 Prozent weniger verdienen österreichische Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen aufs Jahr gesehen.

Der Equal Pay Day, von den Business and Professional Women aus den USA über Deutschland nach Europa importiert, macht symbolisch auf all die Tage aufmerksam, an denen Frauen quasi umsonst arbeiten. Mit roten Taschen weist die Red Purse Campaign auf die roten Zahlen auf den Konten der Frauen hin. Die Kampagne ist so erfolgreich, dass sie inzwischen in über 20 europäischen Ländern an unterschiedlichen Tagen im Jahr stattfindet.

Der "richtige" Equal Pay Day

Doch wann ist denn nun der "richtige" Equal Pay Day? Wer von Jahresanfang zählt, bis wann die Frauen unentgeltlich tätig sind, während die Männer schon ab dem 1. Jänner Geld bekommen, kommt auf das Datum im Frühjahr (so machen es die Business and Professional Women Austria). Wer von Silvester aus rückwärts zählt, ab wann die Frauen nicht mehr bezahlt werden, landet im Herbst und damit beim heutigen Datum, wie es die österreichischen Gewerkschaften tun. Hinzu kommen abweichende Zahlen: Die Arbeiterkammer Österreich berechnet eine Lohnlücke von 21,7 Prozent. Und die SPÖ zählt noch einmal anders, nämlich ebenfalls rückwärts, aber für jeden Bezirk einzeln. In Ried beträgt der Einkommensunterschied 24 Prozent, der Equal Pay Day fiel in diesem Bezirk auf den 29. September 2017. In Tirol klafft eine Lohnlücke von 24,4 Prozent, in Landeck sind es sogar 28 Prozent.

Doch nicht nur in den einzelnen Bundesländern und Bezirken Österreichs gibt es nicht die Lohnlücke und den einen Equal Pay Day – überall auf der Welt wird mit anderen Daten auf unterschiedliche Weise gerechnet, von verschiedenen Verbänden und Organisationen, die sich das Thema Equal Pay auf die Fahnen schreiben. Das macht es schwierig, sich auf einen globalen oder europäischen Equal Pay Day zu einigen. Was das für eine Schlagkraft hätte, sämtliche Equal-Pay-Day-Kampagnen und Aktionen aller Welt vereint – die roten Handtaschen wären überhaupt nicht mehr zu übersehen!

Aber natürlich spricht auch nichts dagegen, mehrmals pro Jahr und aus unterschiedlicher Perspektive auf die Misere auf den Gehaltszetteln berufstätiger Frauen aufmerksam zu machen. Im Gegenteil: Die Einkommensunterschiede sind so hanebüchen, dass es gut wäre, jeden einzelnen Tag im Jahr darauf aufmerksam zu machen. Vielleicht würde dann auch endlich etwas Bewegung in die Sache kommen: Die Lohnlücke schließt sich seit Jahren in Zeitlupe – wenn wir so weitermachen wie bisher, dauert es noch ein paar Jahrhunderte bis zur Entgeltgleichheit.

Fortschritt im Schneckentempo

Aber die gute Nachricht ist ja: Es tut sich etwas! Immerhin! Das belegt auch der diese Woche veröffentlichte Gender Equality Index 2017, der die Entwicklung in den europäischen Ländern von 2005 bis 2015 dokumentiert: Es geht voran in Sachen Gleichstellung – allerdings, und das ist die schlechte Nachricht, extrem langsam.

Gerade beim Thema Geld ist das Fazit erschreckend. Denn de facto haben europäische Frauen, die sich ein faires Einkommen wünschen, eigentlich nur eine Chance, wenn sie die folgenden Kriterien erfüllen: Erstens sollten sie möglichst schon als Europäerin auf die Welt kommen. Zweitens sollten sie eine gute Ausbildung haben. Und drittens sollten sie keine Kinder kriegen – oder sich wenigstens keinesfalls vom Erzeuger trennen, wenn sie welche bekommen haben. Überhaupt bleiben Frauen mit Ambitionen besser allein – einkommenstechnisch auf der sichersten Seite stehen kinderlose Singles.

Kinderlos und Single

Angesichts dieses europäischen Erfolgsrezepts in Sachen Frauen und Geld erscheint die Frage, ob heute der "richtige" Equal Pay Day ist oder ob der nicht längst war, ziemlich nebensächlich: Solange vor allem kinderlose Singlefrauen realistische Chancen auf ein anständiges Einkommen aus Erwerbsarbeit haben, sollten wir jeden Tag Equal Pay Day feiern. Wobei feiern natürlich das falsche Wort ist. Insofern passt das heutige Datum perfekt: Solange es auf den Gehaltszetteln keine Entgeltgleichheit gibt, ist jeder Tag ein Freitag, der 13. – da helfen auch die heutigen 25 Prozent Equal-Pay-Rabatt im digitalen Museum Ars Electronica nicht drüber hinweg!

Diskriminierung ist kein Zufall

Die Furcht vor Freitagen, die auf den 13. eines Monats fallen, ist übrigens vollkommen irrational: Wer heute einen Pechtag hat, kann dafür einzig den Zufall verantwortlich machen. Zufall ist auch, ob wir als Mann oder Frau, als Europäerin oder Nichteuropäerin, reich oder arm geboren werden. Aber die Diskriminierung auf den Gehaltszetteln abzuschaffen ist keineswegs dem Zufall überlassen – sondern liegt in unserer Hand, und wenn es dazu hundert Equal Pay Days pro Jahr braucht!

Ein echter Sprung hingegen wäre es, nicht länger um die "richtigen" Zahlen oder das "richtige" Datum zu streiten, sondern die Dinge endlich in die Hand zu nehmen. Und zwar gemeinsam. (Henrike von Platen, 13.10.2017)