Hartmut Bitomsky dreht seit fünfzig Jahren Filme, die den eigenen Umgang mit dem Medium reflektieren.

Foto: Robert Newald

STANDARD: "Shakkei" ist ein Film über Recycling, aus rezykliertem Material. Woher genau kommt es?

Bitomsky: Es ist nicht im strengen Sinn ein Found-Footage-Film, aber es sind größtenteils beiläufig entstandene Materialien. Ungefähr 50 Prozent entstanden während der Dreharbeiten zu meinem Film B-52 (1999). Das meiste davon, wenn nicht fast alles, ist von meinen Assistenten gedreht. Manches hätte ich mit der großen Kamera in dem Flugzeug auch gar nicht drehen können. Dazu kommen noch andere Aufnahmen, die nicht im Sinne eines Projekts entstanden sind.

STANDARD: Was bedeutet "shakkei"?

Bitomsky: Das ist ein Begriff aus der japanischen Gartenarchitektur. Man spricht von "shakkei" bei dem Versuch, Elemente der umgebenden Landschaft als Blickperspektiven einzubauen. So entstehen "geborgte Landschaften". Ähnlich sehe ich meinen Film Shakkei "in der Nähe von anderen Projekten".

STANDARD: Woher kommt die Idee, sich mit Recycling zu beschäftigen?

Bitomsky: In B-52 ging es schon um den Abbau eines Flugzeugs. In einem generelleren Sinn gibt es bei mir ein langes Nachdenken über den Abbau der Produktion des Kapitalismus und über das Verschwinden der Arbeit. Ein Denkbild dazu stammt von einer Reise in Indonesien. Da habe ich einmal im Hafen von Jakarta eine Dschunke gesehen, die wurde gerade beladen. Im Wasser schwammen lauter deutsche Plastikbeutel mit dem grünen Pfeil im Zirkel. Recycling bedeutet also, wir verschicken das von hier nach da. Der Müll endete in Indonesien in der Landschaft.

STANDARD: Vietnam spielt eine wesentliche Rolle in "Shakkei". Lässt sich denn die Vermutung über das Verschwinden der Arbeit mit Blick auf eine Gesellschaft wie die vietnamesische erhärten?

Bitomsky: Meine persönliche Anschauung ist mehr als 25 Jahre her, ich habe Vietnam seither nicht mehr besuchen können. Aber es waren damals schon Ansätze zu erkennen, dass möglicherweise die USA den Krieg doch gewonnen haben. 30 Prozent der Bevölkerung, vor allem Männer, sind im Krieg umgekommen, und dieses Fehlen wirkt sich aus. Gleichzeitig hat sich der Kapitalismus weiter verwandelt. Vietnam musste sich eine neue Gegenwart erobern. Die Verhaltensweisen der alleingelassenen Jugend sind durch moderne Kommunikationsmittel stark auf die USA ausgerichtet. Da gibt es eine große Überzeugungskampagne, die sich über die ganze Welt ausbreitet.

STANDARD: Könnte man "Shakkei" vielleicht mit "Material" von Thomas Heise vergleichen, in dem auch ein Dokumentarfilmer durch sein Material geht und dabei so etwas wie eine nicht individualistische Autobiografie erkennbar wird?

Bitomsky: Das ist es nicht. Ich als Person tauche, wenn, dann hochvermittelt oder schon fast abstrakt auf – oder unvermittelt. Es ging mir einfach darum, mich bestimmten Dingen aus meinem Leben noch einmal zu stellen. Das ist aber auch schon fast als Haltung das einzig Biografische.

STANDARD: Wir schieben eine riesige Schrottmoräne vor uns her, sagen Sie. Ein wichtiger Aspekt in "Shakkei" sind die Fragen der atomaren Hinterlassenschaft.

Bitomsky: Das Sujet Recycling tauchte in allen möglichen Zusammenhängen auf. Die B-52 waren anfangs alle atomar bewaffnet, von da her stießen wir dauernd auf dieses Thema, und manche Aspekte habe ich in Shakkei vertieft.

STANDARD: Sie waren mit Hans Hurch gut bekannt oder sogar befreundet. Können Sie ein wenig erzählen, wie ein Film wie "Shakkei" auf die Viennale kommt? Konnte er ihn noch persönlich einladen?

Bitomsky: Hans Hurch hat im Frühjahr einen Rohschnitt von mir bekommen. Er hat den Film sehr gemocht und auch detailliert darauf geantwortet. Er hat gesehen, dass es verschiedene Spuren durch den Film gibt: einmal eine mit Tieren, ohne dass das Thema sich allzu deutlich identifiziert, eine andere Spur mit Blättern, Bäumen. Über diese Entdeckungen hat er mir geschrieben.

STANDARD: Wann trafen Sie ihn zum ersten Mal?

Bitomsky: Das war Anfang der 80er-Jahre. Ich lebte damals in Kreuzberg in einer Fabrik, heute heißt so etwas Loft. Er hatte sich mit Armin Turnher für den Falter angekündigt. Wir haben den ganzen Tag geredet. Hans hat übrigens kaum etwas gesagt. Das Interview ist schließlich gar nicht veröffentlicht worden. Das war so ein Moment, wo man sich aus gewissen Gründen trifft, dann kippt das um und es entsteht Freundschaft.

STANDARD: Wie entwickelte sich diese Freundschaft weiter?

Bitomsky: Danach haben wir uns immer nur noch sehr eingeschränkt im Rahmen von Festivals gesehen. Er war immer von einer Wolke von Leuten umgeben, die etwas von ihm wollten. Das war der Hauptstrom, in dem die Begegnungen stattfanden. Darunter gab es aber etwas, was Hans viel mehr ausmachte, eine fast physische Nähe, die er gesucht hat und die er gespendet hat.

STANDARD: Hans Hurch galt als Straubianer, ein filmisches Paradigma, mit dem man eine gewisse Strenge assoziiert. Als Direktor wirkte er aber eher als ein Anhänger des Laisser-faire.

Bitomsky: Offensichtlich hat ihn die Strenge sehr interessiert, nur war sie ihm selber nicht gegeben. Gott sei Dank. (Bert Rebhandl, 14.10.2017)