Bild nicht mehr verfügbar.

Geglückter Start im Kosmodrom Plessezk.
Foto: AP/ESA

Noordwijk/Wien/Plessezk – Europas Erdbeobachtungsflotte im All hat Zuwachs bekommen: Mit dem auf die Analyse der Atmosphäre – insbesondere der Luftverschmutzung und des Klimawandels – spezialisierten Sentinel-5P stützt sich das ESA-Programm Copernicus nun auf sechs Satelliten. Der neueste Vertreter hob am Freitag um 11.27 Uhr MEZ vom russischen Weltraumbahnhof Plessezk mit einer Rockot-Rakete ab.

Um 13.01 Uhr MEZ erreichte das erste Signal das Europäische Raumflugkontrollzentrum ESOC in Darmstadt. "Das ist eine revolutionäre Mission. Zum ersten Mal können wir Luftverschmutzung in so großer Genauigkeit vom Weltraum aus messen", sagte der aus Österreich stammende ESA-Direktor für Erdbeobachtung, Josef Aschbacher, im Vorfeld des Starts.

Instrumente und Aufgaben

Als Datenlieferant übernimmt die von dem Iren Kevin McMullan geleitete, rund 240 Millionen Euro teure Mission Sentinel-5P entsprechend viele Aufgaben: Das Herzstück des "Umweltwächters" ist das Hightech-Instrument TROPOMI (Tropospheric Monintoring Instrument). Mit diesem Spektrometer, das im ultravioletten und sichtbaren Bereich sowie in einigen Infrarot-Wellenlängenbereichen misst, können fast alle wichtigen Gase im Zusammenhang mit Luftqualität und Klimawandel, wie Stickstoffoxid, Ozon, Formaldehyd, Schwefeldioxid, Methan, Kohlenmonoxid sowie Feinstaub (Aerosole), erfasst werden.

Bis auf Kohlendioxid, dessen Messung sich extrem kompliziert gestaltet, eröffnet Sentinel-5P damit einen genauen Blick auf die wichtigsten Spurengase. Im Orbit in der Höhe von 827 Kilometern über der Erde sei man "dafür genau in der richtigen Position", sagte McMullen. Mit seiner 2.600 Kilometer breiten Abtastrate kann Sentinel-5P jeden Tag die gesamte Erdoberfläche nach Schadstoffen scannen. Mit einer räumlichen Auflösung von sieben mal 3,5 Kilometern werde man laut dem Missionsleiter wenige Monate nach dem Start "die besten Daten zur Luftqualität liefern, die es bisher gegeben hat". In der ungefähr sechs Monate nach dem Start beginnenden Betriebsphase des Satelliten übernimmt dann der Österreicher Claus Zehner die Missionsleitung.

Vorreiterrolle

Durch das Copernicus-Programm will Europa die führende Rolle in der Analyse der Abläufe auf der Erde übernehmen. "Nicht einmal in Amerika gibt es etwas Vergleichbares", sagte Aschbacher. Bis 2021 soll das Programm zwölf Satelliten umfassen. Das "P" in der Bezeichnung der nun gestarteten Sonde steht für "Precursor" (deutsch: "Vorläufer"). Dabei handelt es sich um eine Art Übergangsmission, bis der Nachfolger, Sentinel-5, voraussichtlich in fünf Jahren seinen Dienst antritt, wie Missionsleiter Kevin McMullan erklärte.

An Planung und Bau des Vorläufers waren mehr als 30 europäische Unternehmen beteiligt. Die Thermoisolation kommt von der Wiener Weltraumfirma RUAG Space. Sie schützt den Satelliten über die gesamte geplante Missionsdauer von rund sieben Jahren gegen die äußerst unwirtlichen Temperaturen im All. Auch Labortestgeräte von Siemens sind mit an Bord. Sie werden auf ihre Funktionstüchtigkeit im schwerelosen Zustand getestet.

Mit den umfangreichen Daten wird sich auch in Österreich die Analyse und Vorhersage der Luftgüte entscheidend verbessern, teilte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit. "Außerdem gehen die Daten unter anderem in Warnungen vor Vulkanasche im Flugverkehr und in UV-Warnungen ein", so ZAMG-Direktor Michael Staudinger.

Datenauswertung und -verarbeitung

Besonders vielversprechend sei die Verbindung der neuen Satelliten-Daten mit den Messungen der Bodenstationen, erklärte der ZAMG-Umweltmeteorologe Marcus Hirtl. Zukünftig werde es auch leichter, größeren Verursachern von Luftverschmutzung auf die Spur zu kommen. Indem Forscher die dann deutlich genaueren Simulationen rückwärts ablaufen lassen, kann festgestellt werden, aus welcher Region Schadstoffe kommen.

Um die enormen Datenmengen der Sentinel-Satelliten zu verwalten, werden europaweit Datenzentren aufgebaut. Mit dem "Sentinel National Mirror Austria" ist eines der ersten dieser Zentren im vergangenen Jahr bei der ZAMG in Betrieb gegangen. Interessenten können dort seither frei auf Informationen zugreifen. An der Technischen Universität (TU) Wien betreibt das "Earth Observation Data Center" ein Langzeitarchiv, in dem alle Copernicus-Daten gespeichert werden. (APA, 13. 10. 2017)