Ex-Teamspieler Paul Scharner polarisiert auch als Spielertrainer im Unterhaus.

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STANDARD: Sie haben als Trainer des Achtligisten Hagenbrunn bei einer 0:2-Niederlage drei Spieler vom Platz genommen ohne diese zu ersetzen. Ist das moderne Fußballtaktik?

Paul Scharner: Ich wollte meine Mannschaft herausfordern. Im modernen Fußball geht die Entwicklung dahin, dass wir auf dem Platz immer mehr Indianer ausbilden und immer weniger Häuptlinge. Es fehlen die Persönlichkeiten, die auch mit schwierigen Situationen im Spiel umgehen können.

STANDARD: Welche Formation spielt man mit acht Spielern? 3-2-2 oder 5-2-0?

Scharner: Wir haben uns in einer 4-3-Formation aufgestellt. Es waren aber nur mehr vier Minuten zu spielen. Da macht man nur mehr die Räume zu. Das Spiel zu zerstören ist immer leichter, als spielerische Lösungen zu finden. In dieser Periode haben wir kein Gegentor mehr bekommen.

STANDARD: Wie haben die Spieler auf Ihre Wechsel reagiert?

Scharner: Ich wollte eine Meuterei der Mannschaft gegen ihren Trainer provozieren. Aber es gab keine große Reaktion. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Wir haben aber auch eine sehr junge Mannschaft, sind körperlich den meisten Gegnern unterlegen.

STANDARD: Mangelt es den Spielern an Eigenverantwortung?

Scharner: Ein gutes Beispiel ist unsere U14: Seit wir dort nicht mehr so aktiv coachen, nicht mehr so viele Anweisungen geben, läuft es sportlich nicht mehr. Die jungen Spieler müssen mehr Initiative zeigen.

STANDARD: Hatten Sie bei Ihrer Aktion Trainervorbilder im Kopf? Egon Coordes nahm 1995 bei der Austria Jürgen Kauz wenige Minuten nach dessen Einwechslung wieder vom Platz, obwohl das Austauschkontingent ausgeschöpft war. "Weiß der, warum er das Trikot der Austria trägt?, fragte Coordes danach.

Scharner: Nein, ich hatte keine Vorbilder. Diese Geschichte kannte ich gar nicht.

STANDARD: Hagenbrunn spielt in der zweiten Klasse Donau in Niederösterreich. Warum tut man sich das eigentlich an?

Scharner: Hagenbrunn war von Beginn an ein Nachwuchsprojekt, das hat mich interessiert. Die ersten vier Jahre gab es keine Kampfmannschaft und die Nachwuchsteams spielen allesamt in den höchsten Ligen Niederösterreichs. Das hat es im Bezirk Korneuburg noch nie gegeben. Mein 14-jähriger Sohn spielt im Verein, wir wollen wachsen und denken auch an Kooperationen mit größeren Vereinen.

STANDARD: Ein anderes Thema: Im ÖFB herrschen Machtspiele und Intrigen vor. Sie waren immer ein scharfer Kritiker des Verbandes, fühlen Sie sich bestätigt?

Scharner: Der ÖFB ist ein Sumpf. Ich hoffe, dass man mich jetzt besser versteht, warum ich damals so rebelliert habe. Es sollten beim Verband Professionisten ans Werk gehen und keine Leute, die sich nur in den Schaukasten setzen und persönliche Eitelkeiten befriedigen.

STANDARD: Was würden Sie sagen, wenn der neue ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel bei Ihnen anrufen würde?

Scharner: Ich würde mich freuen und nicht Nein sagen. Schöttel steht vor einer Herkulesaufgabe, ist nicht mehr Alleinherrscher wie Willi Ruttensteiner, sondern muss gleich zu Beginn Führungspersonen für die Unterabteilungen bestimmen.

STANDARD: Welche Kompetenzen soll der neue Teamchef haben?

Scharner: Er sollte im ÖFB strukturell mehr Einfluss bekommen. Wer auch immer kommt, der zeitliche Ablauf der Teamchefsuche ist sehr bedenklich. Mit der Bestellung des Sportdirektors vor dem Teamchef schneidet man sich ins eigene Fleisch. Sportdirektor und Teamchef hätten gleichzeitig präsentiert werden sollen. Nun wird Schöttel ins Eck gestellt mit einer Liste von zehn Kandidaten. Und am Ende entscheidet dann wieder das 13-köpfige Präsidium über Schöttels Favoriten. Die Strukturen des ÖFB sind noch aus der Zeit der Monarchie. (Florian Vetter, 15.10.2017)