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Noch ist die Wahl nicht geschlagen, und die Meinungsforscher, so man ihnen glauben mag, attestieren leichte Bewegungen in den letzten Tagen gegenüber den Umfragen der vergangenen Wochen. Begleitet wird das vom Spin der Parteizentralen, die noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen herbeireden wollen. Nein, nicht zwischen ÖVP und FPÖ, sondern zwischen ÖVP und SPÖ. Wenn dem so wäre, könnten die Meinungsforscher allesamt ihren Laden schließen. Aber es ist natürlich ein hehres Anliegen der Parteimanager, Mobilisierung bis zum Schluss zu betreiben, um die noch wankelmütigen Sympathisanten zu den Urnen zu treiben.

Die plötzlich aufkommende Unsicherheit kurz vor der Wahl mag auch daran liegen, dass es einen ausgesprochen hohen Anteil an unentschlossenen Wählern gibt, die immer noch nicht wissen, wem sie ihre Stimme geben sollen oder ob sie überhaupt zur Wahl gehen wollen. Die Schlammschlacht der vergangenen Wochen hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, die Vorfreude auf den Wahltag zu heben.

Richtungsentscheidung

Es ist tatsächlich eine Richtungsentscheidung, wie Bundeskanzler Christian Kern nicht müde wird zu betonen. Ein Richtungswechsel steht bevor. Die große Koalition ist tot, und zwar richtig. Das will sich keiner mehr antun, erst recht nicht ÖVP-Chef Sebastian Kurz, dem die größten Chancen eingeräumt werden, am Sonntag als Sieger aus dieser Wahlauseinandersetzung zu gehen.

Schwarz-Blau, oder Türkis-Blau, wie es jetzt richtig heißen müsste, daran werden wir uns noch gewöhnen müssen, ist eine wahrscheinliche, wenn nicht die wahrscheinlichste Variante – ganz nüchtern betrachtet. Das mag nicht als Drohung missverstanden werden, freilich auch nicht als Verlockung, was es keinesfalls ist. Das letzte schwarz-blaue Experiment unter Anleitung von Wolfgang Schüssel und tatkräftiger Mithilfe von Karl-Heinz Grasser und vielen anderen politischen Glücksrittern hat einen Scherbenhaufen hinterlassen, der immer noch von den Gerichten auseinandergeklaubt wird und der die Republik fast an den Rand des Ruins getrieben hat.

Ehrlich empfundene Feindschaft

Aber Sebastian Kurz will ja alles anders und besser machen. Nicht mit Christian Kern, das steht fest. Die beiden pflegen mittlerweile eine tief und ehrlich empfundene Feindschaft. Vielleicht ginge etwas mit Hans Peter Doskozil, dem Rechtsverbinder der SPÖ. Am ehesten aber doch mit Heinz-Christian Strache, dem Kurz in den letzten Fernsehkonfrontationen unverhohlen ein Regierungsamt in Aussicht gestellt hat. Die Freiheitlichen als Partner in der Regierung, das macht in Europa allerdings keinen guten Eindruck, erst recht nicht, wenn Österreich 2018 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Das ist Kurz durchaus bewusst. Die Frage ist nur, ob an Strache nach dieser Wahl noch ein Weg vorbeiführen wird.

Oder Kurz probiert tatsächlich etwas Neues, verleiht der ÖVP Bewegung und gestaltet eine Regierung, die alle überrascht: ein Minderheitskabinett, wenn sein Ergebnis stark genug ist, oder eine Regierung mit Experten und mehreren Parteien. Peter Pilz kann man sich als Innenminister nur schwer vorstellen, Matthias Strolz als Bildungsminister könnte dagegen endlich die Flügel heben. Auch für die FPÖ ließe sich etwas finden, wenn geht, lieber ein Ressort für Brauchtumspflege als für Heimatschutz.

Prinzipiell gilt: Nur wer wählen geht, darf nach dem Sonntag auch jammern. (Michael Völker, 13.10.2017)