Die Rübe springt nicht von allein in den Kochtopf. Ohne Geld geht's nicht.

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Drei Professoren der WU Wien behaupten in einem Kommentar der anderen, die Ökonomik würde dank der Anwendung von Methoden, die sich an die Naturwissenschaften anlehnten, unbeirrbar auf dem Pfade des Fortschritts wandeln. Paul Romer, einer der bekanntesten Makroökonomen, ist da ganz anderer Ansicht. Er diagnostiziert den Verlust von Realitätssinn und verhöhnt seine Disziplin als Postreality-Unternehmung. Wie könnte es auch anders sein, da die Ökonomik sich mit ihrem Denken nicht nur auf unrealistische Prämissen stützt, sondern, wie zum Beispiel Milton Friedman, trotzig behauptet, das tue den Wirtschaftswissenschaften keinen Abbruch.

Der weltweit bekannte Geldexperte Martin Hellwig, für den sich die Ökonomik schon vor 30 Jahren in einem miserablen Zustand befand, sagte auf einer Tagung des Vereins für Socialpolitik in Wien, seither habe sich alles verschlechtert. Vor allem hätten die Ökonomen keine Ahnung von Geld, was heißt, dass sie auch keine Ahnung von Wirtschaft haben können. Denn Wirtschaft gibt es nur, weil es Geld gibt. Diese Einsicht widerspricht aber der ökonomischen Theorie, die ihre Modelle errichtet, ohne dass Geld in ihnen vorkommt. Geld gilt den Ökonomen eher wie ein störender Kropf. In Wirklichkeit ist Geld aber der Katalysator, an dem sich Wirtschaft entfaltet.

Ideale Wirtschaft

Die ideale Wirtschaft ist seit jeher für Ökonomen eine solche, die von Bedürfnissen gesteuert wird. Was für ein schönes Ideal! Es übersieht nur, dass die Rübe nicht allein vom Marchfeld in den Kochtopf Frau Meyers springt. Das geht nur über eine Reihe von Gliedern, deren Verbindung jeweils Geld ist. Für Geld gibt's kein funktionales Substitut. Geld führt die Leut' zusammen. Das hat aber für das Funktionieren der Wirtschaft erhebliche Konsequenzen, was aber von der Wirtschaftstheorie, wenn schon nicht explizit geleugnet, einfach übersehen wird. Wenn die Wirtschaftstheorie die aktive Rolle, die Geld spielt, nicht erkennt, ist das nicht nur dumm, sondern höchst gefährlich.

Aus der schon bei den großen Ökonomen der Klassik gebräuchlichen Annahme, dass Geld bestenfalls neutral, eigentlich aber eher störend sei, zog schon Karl Marx die Konsequenz, dass es vernünftig wäre, eine Gesellschaft ohne Geld zu bauen. Dieser völlig verrückten, aber im ökonomischen Denken tief verankerten Idee – wenn was nicht wichtig ist, kann man ja drauf verzichten – wurden bis zu 100 Millionen Menschenleben geopfert. Klar, dass hier vom Sowjetsozialismus und seinen Ablegern die Rede ist. Obwohl dieser vor nunmehr schon fast 30 Jahren seinen bis dahin jederzeit gewaltbereiten Geist aufgab, aber vor allem dank Michail Gorbatschow friedlich abdankte, unterwarf sich kaum ein Ökonom der Mühe, die methodologischen Grundlagen der Theorie zu hinterfragen, die der Idee des Sozialismus Auftrieb gegeben hatte. Da die Ökonomik nicht einmal in der Lage war, diesen Punkt zu klären, darf man sich nicht wundern, dass es weiterhin zum guten Ton von Intellektuellen gehört, an den Sozialismus anstatt an die Überlebensfähigkeit des Kapitalismus zu glauben.

Geldwesen und Gesellschaft

Während die Ökonomik in Bezug auf den Sozialismus unterschätzte, welche Wirkungen die Unterdrückung des Geldwesens auf das Funktionieren von Gesellschaften haben würde, unterschätzte sie ebenso die schädlichen Wirkungen, die vom Verzicht auf eine vernünftige Einhegung oder Zähmung der Kräfte des Geldwesen ausgehen, und, wiederum bar der Einsicht um die Kräfte, die vom Geld ausgehen, gestattete man dem Finanzsektor sich exzessiv auszudehnen, so dass die bürgerliche Gesellschaft an dessen Last vor wenigen Jahren – für die Ökonomik völlig unerwartet – beinahe zusammenbrach und nachhaltig leidet. Vielleicht steht uns das Schlimmste ja noch bevor.

Die Moral der Geschichte: man soll nichts verdrängen. Verdrängtes meldet sich und treibt sein Unwesen. Noch aber ist die Ökonomik nicht so weit. Es ist ihr bisher noch nicht einmal klar geworden, dass sie das Verdrängte verdrängt. Zeit, dass sich die Ökonomik auf die Couch eines Sigmund Freuds begibt. (Raimund Dietz, 21.11.2017)