Der gelernte Schriftsetzer beschrieb und zeichnete eine Welt, in der Kinder sich verlieren und zugleich finden konnten.

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Baumhäuser – Beispiele aus dem architektonischen Oeuvre des Meister.

Foto: Mosermuseum

Erwin Moser war auch ein schaffensfroher Aviatiker.

Foto: Mosermuseum

Im Jahr 1992 hat die deutsche Stadt Hameln ihren Rattenfängerpreis an den österreichischen Autor und begnadeten Zeichner Erwin Moser verliehen. Zurecht. Nicht nur, weil dieser Erwin Moser nach seinem grandiosen, 1980 erschienen Debütroman "Jenseits der großen Sümpfe" sich bald als einer der wirklich großen deutschsprachigen Kinder- und Jugendschreiber etablieren konnte.

Moser war es darüber hinaus – wie kaum einem Zweiten – gegeben, seine Handwerkskunst zu verbinden mit der Zauberkunst der Rattenfängerei. Er machte Kinderherzen weit, Kinderaugen groß, Kinderphantasien großartig.

Und manchmal endgültig. Denn wer sich mit dem "Raben Alfons" auf die Reise machte, dem Mond hinter die Scheunen ins geheime Reich der Mäuse und Katzen und Ratzen folgte oder jenseits der Sümpfe dem Herrgott einen Sommertag stahl, der wird auch später vom Lesen nur noch schwer mehr lassen können.

Nachwuchstrainer

Wahrscheinlich ist das die größte Leistung des begnadeten Fabulierers und Zeichners. Er begleitet die Kinder bis zu jener Schwelle, nach deren Überschreiten sie keine Kinder mehr sein werden. Aber da gibt er ihnen – wie ein Samenkron – die Erinnerung mit an den Katzenkönig und den Mäuserich und den Raben und die Eulen und das Maisauto, die Baumhäuser, die Flugphanastereien.

Und die Erinnerung daran ist so plastisch, dass ein jeder, der als Kind getanzt hat nach der Pfeife des Erwin Moser, dann auch noch weiß, wie das alles gerochen hat. Solche Kinder sind verloren. Sie sind der Literatur anheimgefallen.

Einer wie Moser ist eine Art Nachwuchstrainer der Literatur. Bei ihm kann man lernen, wie einer mit dem Ball der Vorstellungskraft erst zurande und nach und nach ins Spielen kommt.

Eigene Nachhaltigkeit

Der Tod hatte in dieser Moser’schen Welt keinen – oder jedenfalls keinen erwähnenswerten – Platz. In der des wirklichen Erwin Moser schon. Nach einer fast unsagbar langen Leidenszeit verstarb Erwin Moser am 11. Oktober um halb zehn am Abend in den Armen seiner Frau Ruth daheim in Wien.

Moser, geboren 1954 in Gols, litt an Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Bei der Diagnose, so Ruth Moser, "sagte man uns, dass er wohl noch zwei, drei Jahre habe". Er hatte schließlich 16. Die sind ihm, der zunehmend erschlaffte, dann verstummte, schließlich nach und nach in sich verschwand, insofern erfüllt gewesen, als er seine eigene Nachhaltigkeit erleben durfte. "Er ist zu einer Art Klassiker geworden, das hat er mit großer Freude erlebt."

Retrospketive

Dass Mosers Werk all die Jahre am Leben geblieben ist – und wie –, verdankt sich in der Hauptsache der Unermüdlichkeit seiner Frau. Sie hat die Verlage zu Neuauflagen gedrängt, sie hat Unveröffentlichtes veröffentlicht, manches neu zusammengestellt, den Bürgermeister von Gols ein Moser-Museum gewissermaßen geschenkt. Sie hat Bücher signiert mit einem Namensstempel ihres Mannes, als der das nicht mehr selbe tun konnte. Sie hat also nicht locker gelassen, den Kinderverführer Erwin Moser auch in den Köpfen der jetzt Heranwachsenden zu verankern.

Und dabei wird es – eine Verheißung für jene, die immer noch wissen wollen, wie es im Rohrwald riecht und auf dem sommerheißen Dachboden – nicht geblieben sein. Das nächste Projekt ist schon auf Schiene: eine große Retrospektive in der Burgenländischen Landesgalerie im September des nächsten Jahres. "Und jetzt", verspricht Ruth Moser, "werde ich mich auch sehr intensiv dem Museum widmen." Sie plant jährlich wechselnde Themenausstellungen, Workshops vielleicht.

Erwin Moser, so darf man seine Frau wohl verstehen, mag gestorben sein. Tot ist er deswegen aber noch lange nicht.

Begraben wird er am 28. Oktober seiner Heimatgemeinde Gols, deren Ehrenbürger er ist. (Wolfgang Weisgram, 14. 10. 2017)