Dass Bildung eines der zentralen Zukunftsthemen ist, darüber sind sich Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen einig. Globalisierung, Digitalisierung, Industrie 4.0 – um nur einige Phänomene herauszugreifen – haben unsere Welt radikal verändert, und diese Veränderungsprozesse stehen gerade erst am Beginn. Die Arbeitswelt der nächsten Generation wird sich fundamental von der ihrer Eltern- oder Großeltern unterscheiden. Während noch vor gar nicht so langer Zeit ausreichend Arbeitsplätze für wenig und schlecht qualifizierte Schulabgänger zur Verfügung standen, sind solche junge Menschen heute so gut wie nicht mehr vermittelbar.

Angesichts all dessen könnte man meinen, dass das Bildungsthema im Nationalratswahlkampf einen zentralen Stellenwert eingenommen hat. Dem war aber nicht so. Nur bei den Neos – und bis zu einem gewissen Grad bei den Grünen – stand Bildungspolitik im Zentrum, bei allen anderen Parteien war sie eher marginalisiert und in vielen der so genannten Wahlkampf-Duelle kam die Bildungsthematik überhaupt nie zur Sprache. Das ist zwar sehr ärgerlich, erstaunt aber nicht wirklich. Es hängt vermutlich mit den ganz speziellen Voraussetzungen zusammen, unter denen in Österreich Bildungspolitik gemacht beziehungsweise eben häufig nicht gemacht wird.

Warum in Österreich keine Schulreformen in Gang kommen

Es gibt ein paar große Reformblockaden und dazu zählen der Föderalismus samt der beträchtlichen Macht der Landeshauptleute, die schwerfällige und teure Schulverwaltung sowie ein historisch begründeter Zentralismus und eine überbordende Schulbürokratie. Am gravierendsten und im negativen Sinne nachhaltigsten aber sind die ideologisch begründeten Blockaden und um die zu verstehen empfiehlt sich ein Blick in die Geschichte.

Weder FPÖ, SPÖ noch die ÖVP hatte Bildungspolitik in ihrem Wahlkampf als Thema.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Dem Gedanken der Einheitsschule Otto Glöckels stand ein ständisch ausgerichtetes Konzept gegenüber, das sich schließlich auch durchsetzte. Fast hundert Jahre später werden schulpolitische Diskussionen leider nach wie vor oft in der Art ideologischer Grabenkämpfe geführt und im Zentrum dieser Auseinandersetzungen steht – wer weiß es nicht – die Gesamtschule. Kampfvokabular wie "Eintopfschule" oder "Nivellierung nach unten" tritt an die Stelle inhaltlicher Diskussion. Von Seiten der SPÖ wiederum vermisst man oft die kritische Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung einer gemeinsamen Schule, denn diese ist natürlich per se weder gut noch schlecht, sondern nicht mehr als eine Organisationsform. Maßgebliche Kräfte in der ÖVP setzen alles daran, die Einführung einer gemeinsamen Schule zu verhindern und so kam und kommt es immer wieder zu gegenseitigen Blockaden und wenig zufriedenstellenden Minimalkompromissen. Die Einführung der Neuen Mittelschule neben dem Gymnasium und statt der früheren Hauptschule stellte einen solchen Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP dar.

Bildungsthemen machen keine Wahlkampfquoten

Groß angelegte Schulreformen können also unter diesen Voraussetzungen nicht stattfinden und so gewinnt man auch in einem Wahlkampf mit dem Bildungsthema keine Stimmen. Entsprechend im Hintergrund stand es auch bei den zwei Regierungsparteien sowie bei der FPÖ. Erinnern wir uns an die Geschichte des im Herbst 2015 groß angekündigten Reformpakets, das dann fast zwei Jahre lang abgearbeitet wurde, bis in letzter Minute eine schmale Kompromissvariante erzielt werden konnte. Solche vor allem in den Massenmedien genüsslich ausgetragenen Szenarien führen dazu, dass unter breiten Kreisen der Bevölkerung nur mehr wenige auf eine große Bildungsreform setzen. Das Thema löst bei sehr vielen Menschen resignative und abwehrende Reaktionen aus, sie sind des ewigen Hickhacks müde.

In einem Wahlkampf lassen sich mit diesem Hintergrund und den Bildungsthemen keine Zuschauerquoten erzielen –  es sei denn, man verknüpft sie mit Ausländern und Zuwanderung. Zwei Parteien haben damit erfolgreich Stimmung gemacht. Von Visionen haben wir hingegen wenig bis gar nichts gehört und ich fürchte, wir werden auf sie leider weiter warten müssen. Hoffentlich nicht noch einmal hundert Jahre. (Heidi Schrodt, 18.10.2017)

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