Andritz-Chef Wolfgang Leitner hat Grund zur Hoffnung, den Millionenstrafen für sich und seine Vorstandskollegen zu entkommen.

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Wien – Es war wohl eine der härtesten Verwaltungsstrafen, die je über Manager wegen arbeitsrechtlicher Verstöße verhängt wurden. Im Sommer wurde bekannt, dass die Vorstände des Maschinenkonzerns Andritz 2016 zu einer Buße von insgesamt 22 Millionen Euro verdonnert wurden, weil sie gegen die Vorschriften zu Lohndumping und Ausländerbeschäftigung verstoßen hatten.

Andritz hatte 2014 für die Erneuerung eines explodierten Kessels im Zellstoffwerk Pöls eine kroatische Firma beauftragt. Zwischen der Bezirksverwaltungsbehörde und Andritz war strittig, ob jene Firma Werkleistungen erbracht oder bloß Personal zur Verfügung gestellt hatte. Im letzteren Fall spricht man von Arbeitskräfteüberlassung, wofür strenge arbeitsrechtliche Vorgaben gelten.

Darüber hinaus muss für kroatische Staatsbürger vom Auftraggeber (Beschäftiger) eine Arbeitsbewilligung eingeholt werden, da sie aufgrund von Übergangsregeln noch keinen freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt haben. Die Behörde sah darin einen klaren Fall der Arbeitskräfteüberlassung. Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu einem anderen Sachverhalt (22. 8. 2017, Ra 2017/11/0068) ist nun fraglich, ob die Entscheidung im Fall Andritz von den oberen Instanzen bestätigt werden wird.

Nach Kriterienkatalog geprüft

Für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung ist nach dem Gesetz der "wahre wirtschaftliche Sachverhalt" maßgeblich (§ 4 Abs 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, AÜG). Wenn Arbeitnehmer in einem fremden Betrieb tätig werden, so ist nach einem gesetzlichen Kriterienkatalog zu prüfen, ob nicht in Wahrheit Arbeitskräfteüberlassung vorliegt. Nach dem Wortlaut des § 4 Abs 2 AÜG ist dies etwa der Fall, wenn kein von den Produkten oder Dienstleistungen des Auftraggebers abweichendes Werk hergestellt wird. Aber auch wenn die Arbeitskräfte nicht vorwiegend das Material und Werkzeug des eigenen Arbeitgebers verwenden oder in den Betrieb des Auftraggebers organisatorisch eingegliedert werden, soll Arbeitskräfteüberlassung vorliegen. Dafür spricht schließlich auch, wenn der Auftragnehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

Problembereich Outsourcing

Auf den Gesetzeswortlaut gestützt gingen die Gerichte bisher bereits dann von Arbeitskräfteüberlassung aus, wenn auch bloß eines der genannten Kriterien erfüllt war. Wendet man jedoch diesen Ansatz auf das im heutigen Wirtschaftsleben häufig anzutreffende Outsourcing von nicht zum Kerngeschäft gehörigen Tätigkeiten an, so liefert dies häufig kein überzeugendes Ergebnis. So ist es etwa schwierig nachzuvollziehen, dass der Auftrag an eine Reinigungsfirma nur deshalb Arbeitskräfteüberlassung darstellen soll, weil die hierfür benötigten Betriebsmittel (Besen, Kübel, Reinigungsmittel etc.) vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden. Ähnliches gilt auch für Fälle, in denen für die Dienstleistung keine eigenen Betriebsmittel erforderlich sind, so etwa IT-Support.

Nach kritischen Stimmen in der Lehre hat der VwGH nun erstmals berücksichtigt, dass für die Beauftragung einer Firma aus einem anderen Mitgliedsstaat (auch) europarechtliche Vorgaben gelten. In der Entscheidung "Martin Meat" (C-586-13) forderte der EuGH 2015 für die Annahme von Arbeitskräfteüberlassung insbesondere, dass die Arbeiten "unter Aufsicht und Leitung" des Auftraggebers durchgeführt werden. Diese müsse jedoch von der Überprüfung der Leistung durch den Auftraggeber auf allfällige Mängel unterschieden werden.

Der Ort ist unbedeutend

Für das Vorliegen eines Werkvertrags spreche jedenfalls, wenn der Auftragnehmer für solche Mängel einzustehen hat und er über die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter frei entscheidet. Hingegen sei es ohne Bedeutung, ob der Auftragnehmer seine Dienstleistung in den Räumlichkeiten des Auftraggebers oder anderswo erbringt. Auch die Anmietung von Maschinen des Auftraggebers ist für den EuGH noch kein Indiz für Arbeitskräfteüberlassung.

Ob diese geänderte Judikatur Andritz tatsächlich zur Aufhebung des Strafbescheids verhilft, ist unsicher. In jedem Fall bekennt sich der VwGH aber nunmehr ausdrücklich zur "Gesamtbetrachtung aller Umstände". Die Chancen stehen also für Andritz gut, dass sich die erstinstanzliche Behörde – entsprechend der früheren Rechtsprechung – mit Feststellungen zu bestimmten Umständen begnügte und daher die Entscheidung wegen unvollständiger Sachverhaltsermittlung von den oberen Instanzen aufgehoben wird.

Was gilt für inländische Fälle?

Offen bleibt auch die Frage, ob der VwGH diesen neuen Ansatz auch auf rein inländische Sachverhalte anwendet. Ob dies zur Vermeidung von sogenannter "Inländerdiskriminierung" rechtlich geboten ist, wird in der Lehre kontrovers beurteilt. Es sollte daher der Gesetzgeber tätig werden und § 4 Abs 2 AÜG an die europäische Rechtslage anpassen. Damit wäre auch den zahlreichen Unternehmen geholfen, die bei Outsourcing von Hilfstätigkeiten derzeit fürchten müssen, von einer Behörde wegen der Beschäftigung überlassener Arbeitnehmer sanktioniert zu werden. (Andreas Tinhofer, 16.10.2017)