Tür auf, Tür zu, Tür auf: Im kommenden Jahr stehen vier Regionalwahlen an, die Wähler dort müssen noch einmal ausrücken.

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Die Reihenfolge hat sich geändert. Das vorzeitige Wählen im Bund bringt nun jene Länder ins Hintertreffen, die 2013 mit der Umfärbung der Republik begannen, während in Wien dann doch alles beim Alten geblieben ist. Solch herbstliche Kontinuität hatte nur Niederösterreich damals im Frühjahr mit der letzten absoluten Mehrheit auf regionaler Ebene vermuten lassen. Kärnten, Tirol und Salzburg sorgten hingegen für den Auftakt eines Neuanstrichs, der abseits der Reiche von Erwin Pröll und Michael Häupl durchwegs neue (Quasi-)Koalitionen entstehen ließ. Sogar die letzte rot-schwarze Partnerschaft in der Steiermark wechselte zumindest die Couleur der Galionsfigur.

Statt 4:4:1 im schwarz-rot-blauen Landeshauptleute-Match bis zum Wahljahr 2013 steht es heute 6:3 für VP contra SP. Ungeachtet der in Nieder- und Oberösterreich noch bestehenden Proporzsysteme ist die Beteiligung an der De-facto-Regierungsmehrheit bei der Volkspartei von acht auf sieben und bei den Sozialdemokraten von fünf auf vier Länder gesunken. Die Grünen sind in fünf statt zuvor zwei Koalitionen, die FPÖ ist weiterhin in zwei vertreten – aber nun ohne Landeshauptmann.

Machtverlust im Föderalstaat

Dieser relative freiheitliche Machtverlust im Föderalstaat steht im Widerspruch zu den Wahlsiegen seit 2014. Ausgerechnet die geringste Quote (15,0 Prozent) brachte den größten Tabubruch – Rot-Blau im Burgenland. Trotz weit höherer Stimmenanteile in Vorarlberg (23,4 Prozent), Steiermark (26,8) und Wien (30,8) musste die FPÖ dort draußen bleiben. Lediglich in Oberösterreich (30,4) löste sie die Grünen als Juniorpartner ab. Die Bundespräsidentenwahl schien dieses westösterreichische Kalkül wider den Rechtstrend vorerst zu bestätigen. Doch nun steht der Gesinnungswandel ante portas.

Fast 2,7 Millionen Menschen sind im nächsten halben Jahr erneut zur Abstimmung gerufen. Allein Niederösterreich stellt ein Fünftel der stimmberechtigten 6,4 Millionen Bürger. Von hier kommt der stärkste Druck auf eine rasche Regierungsbildung in Wien. Denn die wichtigsten Macher von Sebastian Kurz werden nun die Geister, die sie riefen, kaum noch los. Johanna Mikl-Leitner wird bei ihrem ersten Antreten als Landeshauptfrau die absolute Mehrheit nicht halten können. Bei Schwarz-Blau im Bund bietet sie die ideale Zielscheibe für den Lagerwahlkampf gegen diese Farbkombination im Land. Denn dort gibt es die schwächste Regionalbastion der FPÖ (8,1 Prozent).

Kein flotter Dreier

Die zweitschlechteste blaue Filiale (9,3 Prozent) liegt in Tirol, das anders als Niederösterreich den Landtagswahltermin 25. Februar bereits fixiert hat. Hier muss Günther Platter erneut einen Wechsel des Juniorpartners ins Auge fassen, wenn die Grünen trotz Bundessprecherin Ingrid Felipe weiter schwächeln. Denn ein Dreier gilt nicht als flott – trotz dieses Experiments in Kärnten. Es wählt am 4. März. Dann wirkt bei Schwarz-Blau im Bund die VP als Oppositionskandidat im Land. Schon bisher hätte hier Rot-Grün unter Peter Kaiser auch ohne die Volkspartei die Mehrheit. Unterdessen ist die Dreiecksbeziehung in Salzburg schon gescheitert. Wilfried Haslauer führt eine schwarz-grüne Landesregierung mit dem aus dem Team Stronach ausgetretenen parteifreien Hans Mayr – bis zum vermutlich letzten der Frühjahrswahltermine im April oder Mai 2018.

Die politischen Hochzeiter Mikl-Leitner, Platter, Kaiser und Haslauer verbindet, dass sie als Personen so ungefährdet sind wie ihre Landesparteien. Es teilt sie aber das Paradoxon, dass Schwarz-Blau im Bund nur jenem hilft, der federführend für eine rot-blaue Option der SPÖ war – und zwar wider seine ureigene Werthaltung: Kaiser bietet sich in der wahrscheinlichsten nächsten Bundeskoalition das bestmögliche Feindbild, um allenfalls ein rot-grünes Gegenmodell zu etablieren. Wenn sich aber weder das noch ein Dreier ohne Schwarz ausgeht, kann Kärnten sogar Burgenland werden: rot-blau.

Dass die VP in Niederösterreich (im Rahmen des Proporzes) zuerst die Partnerschaft der FP suchen würde, wäre angesichts einer schwarz-blauen Koalition im Bund so logisch wie deren künftige Landesabbilder in Tirol und Salzburg. Ebenso folgerichtig erschiene der daraus resultierende Grünen-Absturz aus dem langjährigen, von regionaler Regierungsfähigkeit getragenen Höhenflug.

Erschütternder Nationalratswahlabend

Angesichts eines erschütternden Nationalratswahlabends mögen diese Überlegungen nebensächlich sein. Doch wenn der Tross ausländischer Berichterstatter wieder abzieht, herrscht in Österreich wieder jenes Klein-Klein, dem sich auch ein ehemaliger Außenminister dann nicht mehr entziehen kann. Die Landeshauptleutekonferenz ist nicht nur die Spitze dieses Eisbergs, sondern war bisher eine wahre Parallelregierung. Wenn nach Erwin Pröll auch Michael Häupl bald aus ihr ausscheidet, sind dort Hans Niessl und Günther Platter die Dienstältesten. Das ist dann eine andere Republik.

Unterdessen bliebe den Grünen neben der Hoffnung auf ihre oppositionelle Wiedererstarkung infolge neuer Widerständigkeit ein Sonderfall mit prototypischem Anspruch für die 2100 österreichischen Gemeinden: In Innsbruck, das parallel zur Nationalratswahl über ein drittes Olympia befragt wurde, besteht in exakt einem halben Jahr die Chance auf eine Premiere – Georg Willi könnte der einzige grüne Bürgermeister werden. (Peter Plaikner, 16.10.2017)