Sebastian Kurz lag am Sonntagabend uneinholbar vorne, nun stellt er den Kanzleranspruch.

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Christian Kern war im roten Festzelt auch über Platz zwei froh.

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Ulrike Lunacek hatte schon mehr zu lachen.

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Peter Pilz nicht am grünen Desaster schuld sein.

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Wird auch in der kommenden Legislaturperiode im Parlament sein: Matthias Strolz.

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Wien – Wie es um die Präferenzen vieler Schwarz-Türkiser bestellt ist, war am Wahlsonntag schon bei der ersten Hochrechnung um 17 Uhr klar erkennbar. Im Kursalon Hübner, wo sich die neue Volkspartei zur Feier des Wahlergebnisses einfand, brandete zunächst Jubel auf, als auf der Videowall zu sehen war: Die ÖVP ist erstmals seit 2002 wieder auf Platz eins. So weit, so erwartbar. Mindestens genauso lautstark freuten sich die Anhänger von Parteichef Sebastian Kurz aber, als eingeblendet wurde: Die SPÖ liegt nur auf Platz drei, also hinter der FPÖ.

Wahlparty der ÖVP am Stubenring
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SPÖ vor FPÖ

Die Schadenfreude der ÖVPler war aber etwas verfrüht. Laut der letzten Sora-Hochrechnung vom Sonntagabend lag die SPÖ mit nicht ganz 27 Prozent doch wieder vor den Blauen, die 26 Prozent der Stimmen bekamen. Diese Zahlen beinhalten bereits eine Hochrechnung der Wahlkarten, sie haben aber noch eine Schwankungsbreite von 0,7 Prozent.

Wahlparty der FPÖ in St. Marx
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Warten auf Wahlkarten

Endgültige Klarheit über Platz zwei gibt es daher erst nach Auszählung aller 889.193 Wahlkarten. Rund 780.000 sind im Ergebnis vom Sonntag noch nicht enthalten. Ein großer Teil wird am Montag ausgezählt, schätzungsweise 50.000 bis 100.000 Karten, die in fremden Wahlkreisen abgegeben wurden, werden aber erst am Donnerstag ausgezählt. Bis dahin dürfen auch die Grünen noch hoffen, die vorerst nicht im Nationalrat vertreten sind.

Aber der Reihe nach: Klar ist, dass sich die roten Hoffnungen, man könnte trotz Dirty-Campaigning-Affäre doch noch zu Kurz aufschließen, zerschlagen haben. Die "Jetzt erst recht"-Aufrufe von Parteichef Christian Kern haben also nur bedingt gefruchtet. Somit trat ein, was vor gut einem Jahr, als der vormalige ÖBB-Boss zum neuen Parteichef bestellt wurde, niemand für möglich gehalten hätte: Kern schnitt nur mehr oder weniger gleich gut ab wie der von vielen Sozialdemokraten verhasste Werner Faymann bei der Wahl 2013. Das damalige Ergebnis von 26,8 Prozent war bisher das historisch schlechteste für die SPÖ.

Jüngster Regierungschef

Kurz hat nun die besten Chancen, mit 31 Jahren der mit Abstand jüngste Bundeskanzler der Zweiten Republik zu werden. Der bisher jüngste war Leopold Figl (VP), der 1945 bei seiner Angelobung allerdings bereits 43 Jahre alt war.

Hinsichtlich seiner Lieblingskoalition ließ sich Kurz noch nicht in die Karten blicken. Sollte ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Regierungsbildungsauftrag erteilen, was dieser bereits ankündigte, werde er "mit allen Parteien Gespräche führen", sagte Kurz. Ohne konkreter zu werden, fügte er auch hinzu: Bei manchen Materien brauche es eine Verfassungsmehrheit (die es nur mit SPÖ oder nur mit FPÖ nicht gäbe). Er wolle jetzt zu einer "Kultur des Miteinander" finden.

Gegen "Rechtspopulismus"

Kern gab sich betont abwartend. In seiner Wahlanalyse räumte er zwar eigene Fehler ein, machte aber auch klar, dass er trotz des schwachen Abschneidens nicht an Rücktritt denke. Er habe immer gesagt, zehn Jahre in der Politik bleiben zu wollen. "Die europäische Großwetterlage kommt der Sozialdemokratie nicht entgegen. Angesichts der Umstände ist das Ergebnis in Ordnung", so Kern, der auch gleich zu einem Rundumschlag gegen die Medien ausholte.

Eine SPÖ-Regierungsbeteiligung unter einem Kanzler Kurz schloss Kern zwar nicht explizit aus ("Wir waren immer bereit, Verantwortung zu übernehmen"), präsentierte seine Partei aber bereits als "Alternative zum Rechtspopulismus". "Ich gehe davon aus, dass Kurz und Strache nicht lange brauchen werden, um sich auf eine Regierungszusammenarbeit zu einigen. Wir werden dazu ein Gegenmodell anbieten."

Keine SPÖ-Obmanndebatte

Eine Obmanndebatte kam in der SPÖ vorerst nicht auf. In Parteikreisen wurde erzählt, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser habe noch am Nachmittag einen Rundruf gestartet, damit sich alle Landesgruppen hinter den Parteichef stellen. Hochrangige Granden wie Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl versicherten auch prompt, Kern sei "unumstritten". Häupl fügte auch gleich hinzu, für ihn sei eine rot-blaue Koalition, die ebenfalls eine Mehrheit hätte, "kein Thema".

Die von Häupl nicht erwünschte FPÖ war jedenfalls der zweite große Sieger des Wahlabends. Sie ist nun fast wieder beim Rekordergebnis des Jahres 1999 angekommen. Damals erreichte Jörg Haider 26,91 Prozent und führte die Partei anschließend in eine schwarz-blaue Koalition.

Strache will sich treu bleiben

Der aktuelle Parteichef Heinz-Christian Strache war beim Thema Koalitionsoptionen ähnlich wie Kurz und Kern um ausweichende Antworten bemüht. Es komme jetzt darauf an, "wer bereit ist, nachhaltige und ernsthafte Veränderungen zuzulassen". Ob lieber mit Kurz oder Kern? "Wir bleiben den Österreichern treu", sagte Strache, um zu ergänzen, er rechne ohnehin mit Schwarz-Rot.

Dass ÖVP und FPÖ zusammen zweistellig zulegen, hat es in der Zweiten Republik bisher noch nicht gegeben. Die SPÖ kann mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein.
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Ganz weit weg von Koalitionsspekulationen sind die Grünen. Für sie wurde der Wahlabend zur Katastrophe. Nach dem Rekordergebnis von 12,4 Prozent bei der letzten Wahl schaute es bei der letzten Hochrechnung so aus, als ob die Ökopartei nach 31 Jahren aus dem Nationalrat fliegt. Aber wie gesagt: Die letzte Hoffnung ruht auf den Wahlkarten. Der grüne Klubobmann Albert Steinhauser sprach unumwunden von einem "Debakel für die Grün-Bewegung. Das ist ein furchtbares Ergebnis nach einem schwierigen Jahr." Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sprach von einer "schmerzlichen Niederlage".

Pilz drinnen

Besser schaut es für die Liste Peter Pilz aus, die nach derzeitigem Stand in Parlament vertreten sein wird. Dass seine Abspaltung für das grüne Desaster mitverantwortlich sein könnte, wollte Pilz so nicht stehen lassen. "Dafür kann und werde ich nicht die Verantwortung übernehmen", sagte Pilz, der sich nun weiter voll der Kontrolle der Regierung verschreiben will.

Nicht zittern müssen auch die Neos. Trotz Zusammenarbeit mit Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss konnten die Pinken aber auch nicht wirklich zulegen. (Günther Oswald, 15.10.2017)