Die Solarkollektoren verteilen sich auf den Dächern der Wohnbausiedlung auf dem Stadtwerk-Areal in Lehen. Im 45-Grad-Winkel können sie zu allen Jahreszeiten die optimale Leistung erbringen.

Foto: Fotohof

Auf der Außenfläche des Pufferspeichers zeigen LED-Lampen an, wie viel Energie in den letzten 24 Stunden gebraucht wurde und welchen Anteil die Solaranlage davon stemmen konnte.

Foto: Salzburg AG

Salzburg – Als 15 Meter hohe silberne Säule ragt Salzburgs größter Pufferspeicher aus der Mitte des Stadtwerk-Areals in Lehen. Der Stahltank ist Teil der größten thermischen Großsolaranlage Westösterreichs. 2000 Quadratmeter Kollektoren sind auf den Dächern der Wohnanlage angebracht. 200.000 Liter Heizungswasser fasst der Tank. Beschickt mit Solarenergie und Fernwärme wird die gespeicherte Energie an Wohnungen und Gewerbegebäude abgegeben.

Das Energiekonzept des Areals diente als Vorzeigeprojekt beim Vernetzungstreffen der Internationalen Energieagentur (IEA), das vergangene Woche, organisiert vom Verkehrsministerium, in Salzburg stattfand. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Transformation des Energiesystems als sozioökologische Aufgabe. Technologieentwicklung sei nur ein Teilaspekt, "Märkte, Regulation, Anreizstrukturen, Infrastruktur, Nutzerverhalten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle", sagte Florian Kern von der University of Sussex bei seinem Eröffnungsvortrag.

Es sei ein langwieriger Prozess, eine Veränderung im Energiesystem herbeizuführen, sagt Kern. Zwischen 30 und 50 Jahre dauere es, Alternativen heranzuziehen. Durch den Klimawandel und gravierende Probleme mit fossilen Energieträgern gebe es Druck zur Veränderung. "Demonstrationsprojekte sollten als soziale Experimente gestaltet werden und sowohl auf technische als auch auf nichttechnische Lernprozesse abzielen", meint Kern.

Bei einem Rundgang im Salzburger Stadtteil Lehen konnten sich die Teilnehmer des Forschertreffens ein Bild von einem solchen Demonstrationsprojekt machen. Auf dem Areal der ehemaligen Stadtwerke ist 2011 eine komplette Neubausiedlung mit 287 geförderten Mietwohnungen entstanden. Die alten Gastürme wurden abgerissen. Im nördlichen Teil des 4,3 Hektar großen Geländes wurden Wohnungen errichtet, im südlichen Teil ist ein Gewerbegebiet mit dem Schwerpunkt Forschung und Entwicklung entstanden. Ein Boulevard für Radfahrer und Fußgänger verbindet die beiden Teile.

Drei Viertel weniger CO2

Durch die Kombination der Solaranlage mit einer Wärmepumpe konnte der Ertrag um bis zu 15 Prozent erhöht werden, sagte Johann Klinger von der Salzburg AG, welche die Anlage betreibt. Im Sommer wird die Überschusswärme auch auf die Nachbarsiedlung verteilt. In sonnenärmeren Monaten wird zusätzlich mit Fernwärme beheizt, die zu rund 45 Prozent von industrieller Abwärme und Biomasse kommt. Durch das optimierte System können im Vergleich zu einer mit Öl beheizten Wohnung bis zu drei Viertel der Kohlenstoffdioxidemissionen (CO2) eingespart werden. Die Errichtung der Solaranlage wurde im Rahmen des EU-Projekts "Green Solar Cities" im Concerto-Programm gefördert. Concerto unterstützt Gemeinden bei Projekten für nachhaltige Energielösungen.

Auch die soziale Komponente müsse bei einer Transformation des Energiesystems beachtet werden, betonte Florian Kern. Lösungen müssten sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren. Klaus Kubeczko vom Austrian Institute of Technology (AIT) ergänzte: Es handle sich um komplexe soziale Prozesse. Aus sozialen Netzwerken, Einstellungen und Institutionen ergebe sich erst eine Dynamik des Wandels.

Um die Nutzer der Solargroßanlage einzubeziehen, hat das Projekt in Lehen ein Monitoring durchgeführt. Mieter aus 20 Testwohnungen bekamen die Energieabrechnungen ihrer Wohnung mittels Brief, Internet oder einem sogenannten Wattson – einem Smart-Home-Energiezähler.

Energieverbrauch abfragen

"Die Motivation, Energie einzusparen, war gering", schilderte Inge Straßl vom Salzburger Institut für Raumordnung (SIR). Viele Mieter seien aus Altbauwohnungen gekommen und meinten, bereits wenig Energie zu verbrauchen. Ein Smart Metering, bei dem die Bewohner über ein Webportal ihren Strom-, Wärme- und Wasserverbrauch abfragen können, soll sie anregen, Energie zu sparen. Auf ihrer Rechnung ist die Einsparung durch die Sonne angegeben.

Gleichzeitig sollen Passanten auf das Energiesystem aufmerksam gemacht werden. Auf der silbernen Außenfläche des Pufferspeichers zeigen LED-Lampen an, wie viel Energie in den letzten 24 Stunden gebraucht wurde und welchen Anteil die Solaranlage davon stemmen konnte. (Stefanie Ruep, 22.10.2017)