Mit der Datenbrille vor dem Motor: Visualisierungstechnologien ermöglichen es, nicht sichtbare Informationen darzustellen und zu nutzen.

Foto: Fraunhofer IGD

Graz – In der digitalisierten Produktionswelt, der Industrie 4.0, verschmelzen reale Produkte und Produktionsabläufe immer mehr mit unterschiedlichsten Internettechnologien. Daten aus der echten und der virtuellen Welt sind mittels Visual Computing miteinander verbunden. Damit werden die Produktionsanlagen zwar "intelligenter", doch viele Entscheidungen bleiben immer noch dem Menschen überlassen. "Diese Produktions- und Designentscheidungen können durch Visual Computing beträchtlich erleichtert werden", sagt Eva Eggeling, Leiterin des Geschäftsbereichs Visual Computing bei Fraunhofer Austria in Graz.

Wie soll man sich diese Entscheidungshilfe konkret vorstellen? Das sollen Netzwerkabende beantworten, bei denen Beispiele aus der Praxis präsentiert werden? Bei der kommenden Veranstaltung zu Data-driven Design am 19. Oktober etwa wird Gernot Neuböck, der Geschäftsführer von Neuböck Innovative Engineering, über seine Erfahrungen mit Visualisierungstechniken bei der Produktentwicklung berichten.

Um herauszufinden, wie eine industrielle Teigknetmaschine zu designen ist, damit bestimmte Teile für die Reinigung zugänglich sind, werden in seinem Unternehmen Virtual-Reality-Methoden eingesetzt. Damit kann die Maschine virtuell dargestellt und mit realen Handbewegungen gesteuert werden. "Auf diese Weise kann man mit wenig Aufwand überprüfen, ob das geplante Design für die nötigen Wartungsarbeiten geeignet ist oder nicht", erklärt Eva Eggeling. Der Vorteil dieses Virtual Reality Supported Engineering: Man spart sich den Bau der verschiedenen Prototypen und damit viel Zeit und Geld.

Virtueller Blick au Felgen

Auch mit der Autoindustrie arbeitet Fraunhofer Austria zusammen – etwa bei der Modellierung von speziell gestalteten Felgen. Mittels Virtual-Reality-Brille können unterschiedlichste Felgenmodelle am Auto begutachtet werden, ohne sie vorher bauen und am Fahrzeug montieren zu müssen. Wird die virtuelle Felgenrealität mit entsprechenden Messwerten angereichert, können neben dem ästhetischen Eindruck auch die technischen Vor- und Nachteile ermittelt werden.

Insbesondere von der Automobilbranche wird auch der von Fraunhofer entwickelte "instant3Dhub" genutzt. Mit dieser Technologie lassen sich die 3D-Daten eines Fahrzeugs performant anzeigen, das heißt, die beteiligten Techniker können sich durch die einzelnen Bauteile klicken und mit dem Modell arbeiten. Eine etwa bei einer chinesischen Tochterfirma durchzuführende Reparatur kann auf diese Weise unter externer Anleitung direkt von den dortigen Technikern erledigt werden und erfordert nicht mehr die Anreise eines Experten. Da nur die für den jeweiligen Teilaspekt nötigen und extra freizugebenden Daten zugänglich sind, braucht das Unternehmen auch keine Raubkopien zu fürchten.

Daten in Form bringen

"Mit Visualisierungstechniken können wir unterschiedlichste Daten in eine Form bringen, die bereits auf den ersten Blick aussagekräftig ist und damit Entscheidungen erleichtert", betont Eggeling. Oft stehen zwar große Datenmengen zur Verfügung, auf deren Basis sich Entwickler, Manager oder Architekten etc. für einen bestimmten Weg entscheiden sollen. Doch lange Zahlenkolonnen sind oft viel zu komplex, um sie als Entscheidungshilfe gebrauchen zu können.

Ein anderer Einsatzbereich für Data-driven Design betrifft Architektur: So waren die Grazer Visualisierungsexperten etwa an einem EU-Projekt zur Langzeitarchivierung von 3D-Gebäudedaten beteiligt. Diese Technologie soll quasi die "Lebensakte" eines Gebäudes sicherstellen: von der Planung über den Bau oder Umbau bis zum Abriss, bei dem das Wissen über die verwendeten Materialien wieder wichtig wird.

"Mithilfe von Mathematik und Algorithmen können wir aus den Daten eines Innenraum-Scans etwa herauslesen, wo genau sich unter dem Putz versteckte Leitungen befinden", berichtet Eggeling. "Indem wir nicht sichtbare Informationen erfassen und darstellen, etwa Leitungs- und Rohrverläufe auf das echte Gebäude aufprojizieren, entsteht aus den vielen vorhandenen Informationen für den Architekten ein klares, aussagekräftiges Bild."

Auch Institutionen, Organisationen und Städte nutzen längst die Möglichkeiten von Visual Computing. Für die Grazer Murinsel hat Fraunhofer zwei große, interaktive Touchscreens namens "InfoLand" entwickelt, auf denen man sich aus einer riesigen Datenmenge jene Informationen über die Stadt herauspicken kann, für die man sich gerade besonders interessiert. (Doris Griesser, 23.10.2017)