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Der in Milch enthaltene Zucker Lactose gehört zur chemischen Gruppe der Disaccharide und besteht aus zwei Molekülen. Normalerweise wird sie im menschlichen Körper vom Enzym Lactase verdaut – fehlt dieses, kommt es zur Intoleranz.

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Linz – Statistiken zu Allergikern haben in den vergangenen Jahren immer wieder einen Trend gezeigt: Immer mehr Menschen sind demnach von Allergien betroffen, in der Bevölkerung der industrialisierten Welt sind es demnach mittlerweile über 25 Prozent. Die Hälfte aller Österreicher reagiert, wie aus einer Langzeitstudie hervorgeht, bei Hauttests sensibel – wenn auch (noch) nicht allergisch – auf Pollen. Vor einigen Jahren waren es erst 37 Prozent.

So eindeutig, wie diese Daten vermuten lassen, ist der europäische Allergiebefund aber nicht. Während die einen auf eine Zunahme allergischer Erkrankungen verweisen, stellen andere Studien nach einem steilen Anstieg zwischen 1960 und der Jahrtausendwende einen Rückgang in den vergangenen Jahren fest. Woran soll man sich orientieren?

Unübersichtliche Datenlage

"Das ist schwierig", sagt der Allergologe und Dermatologe Georg Klein. "Viele von diesen 25 Prozent haben im Laufe ihres Lebens einmal Symptome, die auf eine Allergie hinweisen. Aber sind das bereits Allergiker?" Klein möchte sich auf keine Rate festlegen: "Die Datenlage ist selbst in der Fachliteratur unübersichtlich."

"Richtige" Allergiker habe er in seiner ärztlichen Praxis jedenfalls nur wenige, sagt der ehemalige Vorstand der Dermatologischen Abteilung am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz, der vergangene Woche auf der wissenschaftlichen Tagung des Studiengangs Diätologie der Fachhochschule für Gesundheitsberufe Oberösterreich zum Thema "Nahrungsmittelintoleranzen und Allergien" den Hauptvortrag gehalten hat.

Wird hier von den Medien also eine Allergiehysterie geschürt? "Ich glaube nicht, dass die Medien dabei eine große Rolle spielen", so Klein. "Schließlich gibt es in diesem Bereich wirtschaftliche Interessen und eine Reihe von Forschungsprojekten, für die wachsende Patientenzahlen ja auch kein Nachteil sind."

Gefährliche Tests

Mittlerweile konnte man die molekulare Allergenstruktur der wichtigsten Pollen und Insekten charakterisieren. Dadurch habe sich die Diagnostik verbessert, "die therapeutischen Erfolge bisher aber nicht", sagt der Mediziner. Bei Allergietests rät er zur Vorsicht: "Allergiediagnostik soll nur mit IgE-Tests durchgeführt werden, mit denen das Immunglobulin E gemessen wird." Antikörper vom Typ Immunglobulin E sind für die Vermittlung bestimmter allergischer Reaktionen verantwortlich und deshalb für eine Diagnose wichtig. Wenig hilfreich bis gefährlich seien dagegen die im Handel angebotenen IgG-Tests zur Feststellung von Lebensmittelunverträglichkeiten.

Diese Tests messen das Vorhandensein von Immunglobulin G im Blut, das aber keinen Hinweis auf Allergien und Unverträglichkeiten liefere. Da die Kunden mit der Auswertung eine Liste zu vermeidender Nahrungsmittel erhalten, kann es dadurch sogar zur Fehl- und Mangelernährung kommen. Auch Alexander Moschen von der Medizinischen Uni Innsbruck warnt vor ungezielten Screening-Tests aus dem Drogeriemarkt wie dem IgG-Test. "Ein positiver Wert erlaubt hier keinesfalls Rückschlüsse auf eine Pathologie."

Von Gluten- bis Histaminunverträglichkeit

Den Hype um Nahrungsmittelintoleranzen von der Gluten- über die Laktose-, die Fruktose- bis zur Histaminunverträglichkeit findet er übertrieben. Auch wenn es eine deutliche Zunahme von Unverträglichkeiten bei Menschen zwischen 20 und 30 Jahren gebe. Echte Nahrungsmittelallergien haben in Österreich nur ein bis drei Prozent der Erwachsenen, dazu kommen 40.000 bis 50.000 Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Auslöser sind neben einer genetischen Disposition zum größten Teil Umweltfaktoren: "Ungesunde Ernährung mit vielen Fertigprodukten, Stress und die Lebenssituation haben großen Einfluss auf ihr Verdauungssystem", sagt Moschen. So könne die häufige Umstellung der Ernährung bei einer bereits vorhandenen Neigung zu Unverträglichkeiten kontraproduktiv sein. Während bei Unverträglichkeiten die Beschwerden verzögert, bis zu einem Tag nach der Aufnahme der Lebensmittel, auftreten, setzen sie bei Allergien meist viel schneller ein.

Und wie soll man mit Unverträglichkeiten umgehen? "Am besten erarbeitet man mit einer Diätologin einen Ernährungsplan und verzichtet über längere Zeit auf die auslösenden Lebensmittel." Das ist ein langwieriger Prozess, aber "ein Allheilmittel wird es wohl nie geben", sagt Moschen. (Doris Griesser, 22.10.2017)