Edward Brooke-Hitching, "Atlas der erfundenen Orte – Die größten Irrtümer und Lügen auf Landkarten", dtv Verlag, aus dem Englischen von Lutz-W. Wolff, Hardcover, vierfärbig, 256 Seiten, 30,90 Euro

Cover: dtv Verlag

Wien – Die Berge von Kong haben Händlern und Reisenden in Afrika bis 1889 den Weg nach Süden versperrt – zumindest theoretisch: Fast ein Jahrhundert lang verliefen sie auf allen Landkarten quer durch den Kontinent. Dann zertrümmerte ein Mann namens Louis-Gustave Binger, ein gerade aus Afrika zurückgekommener Offizier, die gesamte Gebirgskette: "Am Horizont war nicht einmal ein Hügel zu sehen."

Die Berge von Kong sind kein Einzelfall: Edward Brooke-Hitching hat in seinem informativen wie amüsanten "Atlas der erfundenen Orte" (dtv Verlag) "die größten Irrtümer und Lügen auf Landkarten" versammelt. Das Maria-Theresa-Riff etwa, Fans von Jules Verne aus "Die Kinder des Kapitän Grant" oder "Die geheimnisvolle Insel" bekannt, war am 16. November 1943 von Kapitän Asaph P. Taber entdeckt worden – und obwohl kein anderer Seemann das Riff je gesehen hat, wurde es auf die Karten gesetzt und nie wieder getilgt.

Erfundene Inseln

Der Atlas des britischen Dokumentarfilmers enthält historische Landkarten und ausführliche Beschreibungen des darauf verzeichneten Unsinns. Brooke-Hitching hat auch zahlreiche Anekdoten ausgegraben. Zum Beispiel über Frederick Cook. Der Abenteurer hatte sich 1908 auf den Weg zum Nordpol gemacht und war für ein Jahr verschwunden. Nach seinem Wiederauftauchen berichtete Cook anhand von Fotos von einer Entdeckung, einer Insel, die er nach seinem Gönner "Bradley Land" nannte – und die prompt auf Arktis-Karten Einzug fand. Allerdings: Die Beweisfotos zeigten in Wirklichkeit die Axel-Heiberg-Insel, die siebentgrößte Insel Kanadas.

Köstlich ist ein Exkurs in das "Liber Chronicarum" aus Nürnberg. Die illustrierte Weltgeschichte von 1493 berichtet u.a. über die Schattenfüßler. Diese haben "groß füeß vnd payn (allerdings nur einen) vnd sind doch (von) wunderperlicher schnelligkait". Um sich vor der Sonne zu schützen, legen sie sich auf den Rücken "vnd bedecken sich zu sumerzeit mit dem schatten irer füß".

Quadratische Erde

Natürlich darf in einem "Atlas der erfundenen Orte" weder das Paradies noch El Dorado fehlen. Sehr schön ist auch eine Karte der quadratischen und stationären Erde von Professor Orlando Ferguson von immerhin bereits 1893. Der gute Mann aus South Dakota hatte eine alternative Geodäsie gegründet, die sich auf die Heilige Schrift bezog. Apropos Christentum: Der byzantinische Geograf Kosmas Indikopleustes stellte sich im Jahr 550 das Universum als Tabernakel vor – ein Abbild seiner skurrilen Karte ist im Buch enthalten. (APA, 22.10.2017)