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Deniz Yücel hat im April beim EGMR Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt.

Foto: ap / markus schreiber

Ankara – Der Menschenrechtskommissar des Europarats, der Lette Nils Muižnieks, hat sich in einem laufenden Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg für die Freilassung von Deniz Yücel und anderen in Untersuchungshaft gehaltenen Journalisten in der Türkei starkgemacht. Die Haftentscheidungen nannte er "willkürlich und unverständlich", berichtete die unabhängige türkische Tageszeitung "Cumhuriyet" am Mittwoch.

Muižnieks hatte seine Stellungnahme Anfang Oktober beim Straßburger Gericht eingereicht. Die zehn Seiten lange Begründung wird am Donnerstag offiziell bekanntgemacht.

Beschwerde eingelegt

Der Türkei-Korrespondent der deutschen Tageszeitung "Die Welt" sitzt seit 247 Tagen ohne Anklage in Untersuchungshaft. Vorgeworfen werden ihm Terrorpropaganda und Volksverhetzung. Yücel hatte im April beim EGMR Beschwerde gegen seine Inhaftierung eingelegt und sich dabei auf die Artikel 3 (Verbot von Folter und unwürdiger Behandlung), 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und 10 (Meinungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen. An dem Verfahren beteiligt sich der Menschenrechtskommissar des Europarats, dem auch die Türkei angehört, als dritte Partei.

Muižnieks intervenierte dabei nun für Yücel und eine Reihe anderer Journalisten, darunter die noch inhaftierten Mitarbeiter von "Cumhuriyet", der Kolumnist und Sänger Atilla Taş und der ehemalige Chefredakteur der mittlerweile geschlossenen Tageszeitung "Taraf", Ahmet Altan, ein führender liberaler Intellektueller.

"Breiter angelegte Unterdrückung"

Die Verhaftung und Strafverfolgung zahlreicher Journalisten in der Türkei habe zu Menschenrechtsverletzungen und zur Untergrabung des Rechtsstaats geführt, heißt es in Muižnieks' Stellungnahme. Das Vorgehen gegen die Journalisten sei Teil einer breiter angelegten Unterdrückung jener, die abweichende Meinungen oder Kritik gegenüber der Staatsmacht ausdrückten. Der Menschenrechtskommissar erklärte sich überrascht von dem "Mangel an materiellen Belegen" gegen die Journalisten. Die Verhängung von Untersuchungshaft sei grundsätzlich nur ein letztes Mittel und müsse mit Zurückhaltung angewandt werden.

Die türkische Regierung hat bis 23. Oktober Zeit, um auf Yücels Klage zu antworten. Sie wird aber wohl noch die legal möglichen zusätzlichen drei Wochen Bedenkzeit in Anspruch nehmen, sagte Yücels Anwalt Veysel Ok dem STANDARD. Erst wenn die Stellungnahme aus Ankara vorliegt, will auch die deutsche Bundesregierung ihre Intervention beim EGMR für Yücel formulieren. (Markus Bernath, 19.10.2017)