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Das Barrios-de-Luna-Wasserreservoir in Nordspanien ist fast ausgetrocknet. Ende August war es insgesamt nur noch zu neun Prozent gefüllt.

Foto: Reuters / Eloy Alonso

Brücken stehen auf dem Trockenen. Wanderer marschieren in sandigen Flussbetten und auf rissigen Lehmböden von Stauseen. Ruinen romanischer Kirchen und verfallene Dörfer tauchen auf, nachdem sie jahrzehntelang überflutet waren. Die Bilder der Trockenheit in Spanien schockieren deshalb, weil sie in der Nord- und Nordwesthälfte des Landes aufgenommen wurden: Die Regionen Asturien, Kantabrien sowie Kastilien und León sind eigentlich wasserreich. Das Wasser ihrer Flüsse wird gestaut oder in den Süden und Südosten Spaniens umgeleitet, wo von jeher chronische Wassernot herrscht. Und die nordwestspanische Provinz Galicien wird aktuell von Waldbränden verwüstet. Vier Menschen haben dort bislang ihr Leben verloren.

Seit dem 1. Oktober 2016 hat es um 14 Prozent weniger geregnet als im Jahresdurchschnitt. Das spanische Wetteramt Aemet hat gemessen, dass die akkumulierte Niederschlagsmenge bei 550 Liter Wasser pro Quadratmeter lag. In Österreich waren es im Vergleichszeitraum 960 Liter, wie das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft informiert.

Spaniens Ministerrat hat deshalb beschlossen, die 2015 deklarierte Trockenperiode für einige Regionen bis 30. September 2018 auszuweiten. Betroffen sind so große Flüsse wie der Duero, der Tajo oder der Ebro.

Sieben von zehn europäischen Flüssen, denen mehr Wasser entnommen wird als nachfließt, fließen durch Spanien. Seit 1970 ist Spaniens Wasserbedarf um mehr als 50 Prozent gestiegen. Sollte es diesen Herbst nicht ausreichend regnen, wird zuerst den Landwirten das Wasser rationiert, dann den Haushalten. Das ist der EU zu wenig: Seit 2015 fordert sie von Spanien einen Plan für nachhaltige Wasserpolitik. Spanien müsse vorausschauend arbeiten, anstatt krisenorientiert zu agieren. Im Kern geht es darum, den "Managementfokus von der Erhöhung der Entnahmemengen auf die Minimierung der Nachfrage" zu verschieben, wie die EU-Umweltagentur schon 2009 forderte.

Desertifikation droht

Das ist für Spanien eine große Herausforderung: Zum trockenen, mediterranen Klima und zu nachlässiger Wasserwirtschaft kommt nun der Klimawandel mit immer längeren und intensiveren Dürreperioden. Spanien droht in weiten Teilen die Desertifikation. 70 Prozent allen Wassers fließt in Spanien in den Anbau von Obst und Gemüse, das großteils in andere EU-Länder exportiert wird.

Und für 2018 erwartet das Land, in dem gut 46 Millionen Menschen leben, 80 Millionen Touristen: Die verbrauchen im Durchschnitt drei- bis viermal so viel Wasser wie Einheimische und verbringen ihren Urlaub vor allem in den wasserarmen Gegenden am Mittelmeer und auf den Kanaren, die auch mit Wassernot kämpfen.

Spaniens Regierung habe die Tragweite des Problems noch nicht erkannt, bedauert der Madrider Wirtschaftswissenschafter Gonzalo Delacámara. Sie sehe Wasser noch immer als ein Umweltthema an, "anstatt es zur Staatsangelegenheit zu erklären".

Und auch bei den Verbrauchern fehlt es an Bewusstsein. So sind die Bewohner von Barcelona zwar am sparsamsten, sie verbrauchen mit 150 Liter Wasser pro Tag und Person aber immer noch mehr Wasser als der Durchschnittsösterreicher, der 135 Liter braucht.

Alte Rohre nicht saniert

Gonzalo Delacámara ist spezialisiert auf die wirtschaftliche Nutzung natürlicher Ressourcen, besonders Wasser beschäftigt ihn. Er ist Berater der EU, der Vereinten Nationen und der Weltbank. Vor zwei Jahren hat er mit sechs Kollegen in Madrid das Forum für Wasserwirtschaft gegründet, mit dem Ziel, die Ressource in seinem Land auf der Prioritätenliste nach oben zu setzen. "Wir können weiterhin Regentänze aufführen oder endlich Verantwortung für die Lage übernehmen", sagt er und wirft auch die Frage auf, wie man Spanien künftig mit nachhaltiger Energie versorgen wolle. Knapp 20 Prozent stammen aus Wasserkraftwerken. Doch die Stauseen sind derzeit nur zur Hälfte gefüllt. Deshalb konnten sie 2017 nur halb so viel Energie produzieren wie im Vorjahr. Der Ausfall musste mit Energie aus fossilen Brennstoffen ausgeglichen werden, der CO2-Ausstoß stieg um 36 Prozent.

Eine Lösung liegt neben Wassersparmaßnahmen vor allem in der Kreislaufwirtschaft. Derzeit wird in Spanien nur ein Drittel des gereinigten Abwassers ins Versorgungssystem zurückgeführt. Und das Leitungssystem muss saniert werden. Fast die Hälfte stammt aus den 1970er- und 1980er-Jahren, viele Rohre lecken. Bis zu 40 Prozent des Trinkwassers gehen in Spanien unterwegs verloren. Seit dem Ausbruch der Krise hätten viele Gemeinden kaum mehr in die Instandhaltung investiert, sagt Delacámara, und das, obwohl sie von den Konzessionsnehmern eine Abgabe dafür kassieren. Doch die ist nicht zweckgebunden: "Viele Rathäuser geben das Geld einfach anderweitig aus." (Brigitte Kramer aus Palma, 19.10.2017)