Zürich – Das Wechselspiel von Arten – sei es direkt oder indirekt – lässt ein Ökosystem nur langsam auf Umweltveränderungen reagieren. Rascher Wandel wie durch die Klimaerwärmung dürfte das Artensterben also besonders befeuern, wie Forscher der Universität Zürich aufzeigten. Laut einer Studie in "Nature" sind gerade artenreiche Ökosysteme besonders betroffen.

Weltweit verschwinden immer mehr Arten. Oft ist Jagd oder der Verlust an Lebensraum durch menschliche Aktivitäten Schuld daran. Der Klimawandel könnte das Problem verschlimmern, berichtet ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Uni Zürich. An sich ändernde Umweltbedingungen können sich Arten in der Regel anpassen – wenn sie langsam genug ablaufen. Wie die Forscher nun im Fachjournal "Nature" berichten, sind aber ausgerechnet artenreiche Ökosysteme besonders anfällig für rasche Änderungen durch den Klimawandel. Das teilte die Universität Zürich am Mittwoch mit.

Wechselseitige Beeinflussung

Grund dafür ist, dass sich die Arten einer Gemeinschaft gegenseitig in ihrer Evolution beeinflussen. Der Clownfisch braucht beispielsweise die Seeanemone, die Seeanemone den Clownfisch. Wenn Lebewesen so direkt miteinander wechselwirken, stimmen sie ihre Eigenschaften aufeinander ab. Diesen Prozess nennt man auch "Koevolution".

Die Wissenschafter liefern nun Belege, dass Koevolution auch zwischen Arten stattfindet, die nicht direkt miteinander interagieren, sondern nur "um Ecken herum" miteinander zu tun haben. Dieser Effekt macht komplexe Artengemeinschaften mit vielen direkten und indirekten Beziehungen allerdings anfälliger für sich rasch ändernde Umweltbedingungen.

Für die Studie untersuchten die Wissenschafter – darunter Jordi Bascompte von der Uni Zürich – 75 biologische Gemeinschaften im Meer und auf dem Land. Diese Netzwerke unterschieden sich in der Anzahl der Beziehungen, in denen eine Art mit anderen steht, aber auch in der Intensität der gegenseitigen Beziehungen.

Dabei ging es von sehr engen Interaktionen zwischen zwei Arten, wie zwischen Clownfisch und Seeanemone, bis hin zu weniger spezialisierten Beziehungen wie der von Bienen, die mehrere Pflanzenarten bestäuben, oder Pflanzen, die von verschiedenen Insekten bestäubt werden.

Artenreiche Gemeinschaften anfälliger

Auf Basis ihrer Analyse entwickelten die Forschenden ein mathematisches Modell, mit denen sie den Effekt der Koevolution auf die Eigenschaften der Arten simulieren konnten. Fazit: In artenreichen Gemeinschaften mit vielen Wechselwirkungen spielen indirekte Effekte für die Eigenschaften einer Spezies eine größere Rolle als in kleinen Netzwerken mit wenigen engen Beziehungen.

Eine Konsequenz daraus ist, dass große Gemeinschaften mit vielen untereinander interagierenden Arten langsamer auf veränderte Bedingungen reagieren können. Neue Umweltbedingungen lösen demnach eine Kaskade von evolutionären Veränderungen aus, die sich durch das Netzwerk ausbreiten. Laufen die Umweltveränderungen langsam ab, können diese komplexen Artengemeinschaften sich zwar anpassen. Erfolgen sie jedoch zu rasch, kommt die Koevolutions-Kaskade nicht nach.

"Die raschen, durch Menschen bedingten Klimaveränderungen bergen das Risiko, dass viele Arten in großen Netzwerken aussterben", folgerte Bascompte. (APA, red, 26.10.2017)