Experte für die Varianten des Deutschen: Alfred Dorfer.

Foto: Ernesto Gelles

Wien – "Dinge wahrzunehmen ist der Keim der Intelligenz", heißt es bei Laotse. Alfred Dorfer nimmt bei dem chinesischen Kalenderspruchkönig in seinem neuen Bühnensolo und ... gleich mehrfach Anleihe. Was dem aktuellen Träger des Deutschen Kabarettpreises derzeit nämlich besonders gegen den Strich geht, ist folgende Tendenz: dass oft gerade intelligente Menschen die unangenehmen Dinge zwar wahrnehmen, diese auf Basis falscher Toleranz und der Angst, ins politisch rechte Eck gestellt zu werden, aber lieber gar nicht ansprechen.

Beitrag aus den ORF-"Seitenblicken".
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Sieben Jahre hat sich der 56-Jährige Satiriker, Schauspieler und Kolumnist Dorfer Zeit genommen, um sich nach ausgedehnten Touren durch den deutschen Sprachraum, einer nachgeholten Dissertation und kleineren Lehraufträgen an der Uni einen neuen Bühnenmonolog zu überlegen. Als Rahmenerzählung setzt Dorfer in "und ..." sein Bühnen-Ich zwar einer Umzugssitation aus, treibt das als Motiv (Migration im weiteren Sinn) aber nicht wirklich voran.

Vielmehr blüht Dorfer in den locker aneindergereihten Geschichten aus seiner jüngeren und längeren Vergangenheit als Spezialist für Varianten der deutschen Sprache auf. Im rasanten Wechsel, unterstützt durch ein paar Musikeinspielungen, gibt Dorfer den bayerischen Provinzjournalisten, den piefkonischen Theaterschnösel, die Gastarbeitermama, den Ostmafiosi oder den Eidgenossen mit Sprengstoffgürtel, dem das gemächliche Schwyzerische restlos die Bedrohlichkeit raubt.

Thematisch lassen sich in "und ..." neben Pflichtschuldigem wie Veganer- und – erwischt! – Anglizismusbashing die Schwerpunkte Wissenschaft Kindererziehung und "westliche Werte" ausmachen. Letztere spitzt Dorfer auf den Respekt gegenüber Frauen zu, den er angesichts ungeregelter Zuwanderung gefährdet sieht. Wer mit einer Frau nichts zu tun haben will, nur weil sie eine Frau ist, habe hier nichts verloren, heißt es einmal ganz unironisch deutlich. Zornig zeigt sich Dorfer auch über die islamistischen Mörder des Bataclan oder die sexuellen Übergriffe der Kölner Silvesternacht. Und ja, auch gegen den damit einhergegangenen "Vulgärfeminismus" ("Unsare Weiber belästig'n mia scho söba") müsse man entschlossen ins Feld ziehen.

Aus seiner Abneigung gegen naive "Halbintellektuelle", die seiner Meinung nach allzu gerne auch diese Zeitung lesen würden (woanders wird es ein anderes liberales Medium treffen), macht Dorfer in "und ..." keinen Hehl. Ihnen schreibt er ins Stammbuch, dass es nicht wichtig sei, wer was sagt, sondern wer was sagt. Und wenn es von der FPÖ kommt.

"Lassen wir doch endlich diese Rechts-links-Scheiße hinter uns und benützen unseren Verstand!", fordert Dorfer und spricht damit vielleicht gerade jene Verschiebung an, die sich bei der Nationalratswahl im grünen Spektrum zugetragen hat. Mit Peter Pilz hatte ein Grüner Erfolg, der sich nicht scheut, das Thema politischer Islam offensiver anzugehen.

Dass dem Schweiz-Fan Dorfer zu den Exzessen am Finanzmarktkapitalismus und sozialer Ungleichheit wenig bis gar nichts einfällt, zeigt exemplarisch aber auch, wie sehr der Migrationsdiskurs den ökonomischen überlagert hat. (Stefan Weiss, 19.10.2017)