Der EZB-Tower in Frankfurt: Hier wird über das Zinsniveau in der Eurozone entschieden.

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Wien/Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) läutet den Einstieg in den Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik ein. Die Notenbank setzt die milliardenschweren Wertpapierkäufe im kommenden Jahr zwar fort, verringert das Volumen aber deutlich. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen können, bleibt erwartungsgemäß auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Von Jänner 2018 an wollen die Währungshüter monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere um 30 Mrd. Euro kaufen, wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt im Anschluss an eine Sitzung des EZB-Rats mitteilte.

Sparer müssen sich gedulden

Das Programm soll bis mindestens Ende September 2018 laufen und damit neun Monate länger als bisher geplant. Bis Ende Dezember 2017 steckt die EZB monatlich noch 60 Mrd. Euro in Anleihenkäufe – bis dahin veranschlagtes Volumen: 2,28 Billionen Euro. Die EZB lässt sich weiterhin die Möglichkeit offen, das Kaufprogramm in Umfang und Dauer auszuweiten, falls die Konjunkturlage sich verschlechtern sollte. Sparer müssen sich allerdings weiter gedulden. Den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen können, beließ das oberste Entscheidungsgremium der EZB erwartungsgemäß auf dem Rekordtief von null Prozent. Finanzinstitute, die Geld bei der Zentralbank parken, müssen dafür weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Eine erste Zinserhöhung könnte Ökonomen zufolge womöglich erst 2019 anstehen.

Da Märkte aber auch bei Zinsen oft die Entwicklungen vorwegnehmen, sollten Anleger im nächsten Jahr auf der Hut sein. Ein Überblick, was ein Zinsanstieg für die bekanntesten Anlageklassen bedeutet.

Aktien: "Steigende Zinsen sind Gift für Aktien", sagt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International. Das erklärt sich so: Steigen die Zinsen, werden Anleihen wieder interessanter, das Interesse an Aktien lässt nach. Die Bewertung von Aktien hängt immer auch von den künftigen Erträgen eines Unternehmens ab. Und diese werden in der Gegenwart mit dem Zins diskontiert, was sich auf die Bewertung auswirkt, weil steigende Zinsen den künftigen Unternehmenswert reduzieren. Von dieser Entwicklung werden laut Brezinschek jene Branchen weniger tangiert werden, die ein großes Gewinnwachstum aufweisen. Alle jene, die nicht dynamisch mit der Konjunktur laufen – also die defensiven Brachen wie Konsum oder Tabak -, werden wohl eher abgestoßen werden. Die Volatilität bei Aktien wird mit steigenden Zinsen tendenziell zunehmen. Hoch bewertete Titel werden im Kurs sinken.

Währungen: Interessant sind hier immer Währungspaare, also etwa die Zinsdifferenz bei Euro/Dollar oder Euro/Pfund. Diese hängt davon ab, wie sich die Zinsen in den jeweiligen Ländern entwickeln. Derzeit hat der Euro zugelegt, weil in den USA die Zinsen nicht mehr so stark gestiegen sind und sie in Europa vom Minusbereich ins Plus gedreht haben. Ein Beispiel: Bekommt man im Euro drei Prozent Zinsen, im Dollar nur 0,5 Prozent, gehen Anleger tendenziell Richtung Euro. Steigen die Zinsen in Europa also wieder an, wird das dem Euro zugutekommen, weil die Zinsdifferenz zu den USA abnimmt. Die Attraktivität des Euro als Veranlagungswährung steigt dann. Die aktuellen Zinsschritte in den USA verlaufen auch deswegen so langsam, weil es auch viel Verschuldung im Dollar gibt und man weder Investoren noch Unternehmen noch die wirtschaftliche Entwicklung in die Bredouille bringen will.

Immobilien: Steigen die Zinsen, wird spätestens nach ein paar Zinsschritten die Nachfrage nach Hypothekarkrediten zurückgehen und sich die Verlagerung von Sparguthaben in Richtung Immobilien umdrehen. Der Immobilienboom wäre damit beendet, was laut Raiffeisen-Analyst Brezinschek einhergeht mit einem ordentlichen Dämpfer der Preise in diesem Segment. Zuletzt gab es bei Immobilien massive Wertsteigerungen. Vielfach war auch von einer Blase in diesem Bereich gesprochen worden. Aufgrund dieser Wertsteigerungen haben Privatpersonen, Fonds und Investoren ordentlich zugegriffen und Wohnungen oder Häuser als Anlageobjekt gekauft. Mit steigenden Zinsen und sinkenden Immobilienwerten würden laut Brezinschek sicher auch viele Anleger Kassa machen wollen. Dann gibt es möglicherweise mehr Angebot als Nachfrage, was zu sinkenden Preisen führen wird.

Gold/Kryptowährungen: Sowohl Gold als auch Kryptogeld zählen zu den zinslosen Veranlagungen. Steigen die Zinsen deutlich, ist das ein Dämpfer für den Goldpreis. Als in den 1980er-Jahren die Zinsen in den USA in die Höhe geschnellt sind, gingen die Inflationserwartungen zurück, und das hat dem Goldpreis stark zugesetzt. Das Gegenteil war zuvor in den 1970er-Jahren der Fall: Nach zwei Ölpreisschocks war die Teuerung weltweit in die Höhe geschnellt, sodass das Edelmetall, das als natürlicher Schutz gegen Geldentwertung gilt, zu einem Höhenflug ansetzen konnte.

Weniger Auswirkungen sollten höhere Zinsen auf Kryptowährungen haben. Angesichts der zuletzt enormen Wertsteigerungen von Bitcoin und Co dürften die vergleichsweise bescheidenen Zinserträge von klassischen Währungen für Anleger in diese Digitalwährungen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Anleihen: Bei Anleihen ist die Laufzeit ein wesentlicher Faktor im Fall ansteigender Zinsen. Die Grundregel dabei: Je länger die Laufzeit, desto größer sind die Kursverluste – vor allem, wenn die Zinsen kräftig anziehen. Jene Anleger, die jetzt in kurz laufende Titel investieren – also rund zwei Jahre -, werden laut Brezinschek von Zinsschritten am wenigsten tangiert sein. Je länger die durchschnittliche Bindung, desto höher werden die Abschläge ausfallen. Rückschläge wird es laut Brezinschek also sicher geben, wenn die Europäische Zentralbank ihre Zinspolitik verändert.

Die Kurse der Papiere werden dann deutlich fallen. Denn die Kurse passen sich an das jeweilige Renditeniveau an. In extrem lang laufenden Papieren, wie etwa die Staatsanleihen, die 30, 50 oder sogar 100 Jahre laufen, sieht Brezinschek daher auch großes Risikopotenzial. (bpf, aha, 26.10.2017)