Wien – Am Aufbau einer genetischen Datenbank aller 70.000 Pflanzen-, Pilz- und Tierarten Österreichs arbeiten Forscher seit 2014 im Projekt "Austrian Barcode of Life (ABOL)". Als "DNA-Barcodes" werden Sequenzen der Erbsubstanz verwendet, die als eindeutige Kennzeichen für die Artbestimmung genutzt werden können. In drei Jahren soll eine umfassende Sammlung online gehen.

"Österreich ist ein Hotspot der Artenvielfalt", erklärte die Biologin Elisabeth Haring vom Naturhistorischen Museum (NHM). Zum Vergleich führte sie an: Obwohl Deutschland weit größer ist, zähle man dort ungefähr genau so viele Arten. Bei ABOL handle es sich um ein "richtig großes Forschungsprojekt" im Bereich der Biodiversität, dessen Koordination das NHM übernommen hat.

Unverwechselbarer Code

Seit drei Jahren laufen gemeinsam mit der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien, der Universität Graz und den Tiroler Landesmuseen Vorarbeiten für das Projekt. Das Netzwerk umfasse mittlerweile auch rund 120 Forscher aus verschiedensten Institutionen, von denen viele am Freitag auch an der vierten Konferenz zum Thema in Wien teilnahmen.

Als Barcodes dient bei den meisten Tiergruppen ein rund 650 Basenpaare langer Code des CO1 Gens, das in der DNA der Mitochondrien liegt. Die Codes werden in einer Referenzdatenbank gespeichert und allen Forschern, Gesundheitsbehörden, Medizinern, Forensikern, Gewässer- und Zoll-Kontrolleuren zur Verfügung stehen.

In rund drei Jahren sollen die bis dahin vorhandenen Daten auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sagte NHM-Forscher Helmut Sattmann. Im internationalen Vergleich sei Österreich zwar etwas spät dran. Nun gebe es aber eine Förderzusage des Wissenschaftsministeriums für die zweite Projektphase.

Einfache Bestimmung

Die Erfassung soll die oft schwierige Artenbestimmung deutlich vereinfachen. Lege man zwei Taxonomen eine idente Reihe an Lebewesen zur Bestimmung vor, gebe es oft nur rund 70 Prozent Übereinstimmung beim Ergebnis. Der Barcode hingegen sei in den allermeisten Fällen eindeutig, so Sattmann.

Das Projekt sorge auch für neue Entdeckungen: So sei etwa in der oberen Mur in der Steiermark im Zuge der Datensammlung klar geworden, dass sich dort nicht nur der Steingreßling, sondern auch eine bisher unbekannte verwandte Art im Wasser tummelt, sagte Thomas Friedrich von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. "Die DNA zeigte schnell, dass wir hier etwas Neues haben." Seinen nächsten Verwandten hat der grünliche "Smaragdgreßling", an dessen Erstbeschreibung die Experten gerade arbeiten, übrigens in Griechenland.

Wertvolle Daten

Der Mehrwert des Projekts sei aber bei weitem nicht nur akademischer Natur. Betrachte man beispielsweise die sich verändernde Situation der Stechmücken in Österreich, werde auch die medizinische Dimension klar. Aufgrund der klimatischen Veränderungen und des internationalen Handelsverkehrs würden etwa neue Gelsenarten nach Österreich kommen, die auch andere Krankheiten übertragen können, sagte Vetmed-Expertin Carina Zittra. "Schickt uns jetzt jemand ein Exemplar einer Gelse, auf die er schon fünf Mal eingeschlagen hat, können wir aufgrund des 'Barcodes' immer noch recht einfach sagen, ob es sich etwa um eine Tigermücke handelt."

Obwohl sich das Sammeln des Erbguts vieler Lebewesen auch aufgrund der Schutzbestimmungen schwierig gestalte, habe man etwa bei den heimischen Amphibien, Reptilien, Fischen, Schmetterlingen und Säugetieren schon viel Material beisammen, sagte NHM-Forscher Frank Zachos. Bei den besonders artenreichen Insekten, Bodenorganismen oder Vögeln sehe es jedoch noch ganz anders aus – und das wird sich wohl auch so schnell nicht ändern: Um tatsächlich in den nächsten zehn Jahren rund 80 Prozent der heimischen Biodiversität in die Datenbank zu heben, bräuchten die Wissenschafter rund 26 Mio. Euro. (APA, 22.10.2017)