Die Ungleichheit der Einkommen wächst im Vergleich der Generationen. Nachteile in der Bildung, im Job oder bei der Gesundheit wirken stärker als ein Hebel.

Ungleichheit im Alter wird in Industriestaaten deutlich zunehmen. Für Generationen die nach 1960 geboren wurden, soll sich die Pensionszeit "dramatisch verändern", sagt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer neuen Studie. Der demographische Wandel samt notwendiger Sparmaßnahmen sowie instabile Karrieren führen künftig zu mehr Altersarmut und ungleicheren Einkommen.

In Österreich hat die Ungleichheit über die Generationen hinweg besonders deutlich zugenommen. Unter 26 verglichenen OECD-Ländern stieg die Einkommensungleichheit nur in der Slowakei und Belgien stärker an.

Das heißt, wenn heute in einem Lokal zwei Klassentreffen stattfinden, an einem Tisch der Jahrgang 1980 und am Nebentisch der Jahrgang 1950, hat die jüngere Gruppe ungleichere Einkommen im Vergleich untereinander, als ihre Elterngeneration am Nachbartisch.

Die Dynamik ist also ungünstig für der Jungen. Allerdings führt die OECD keine Gründe für das schlechte Abschneiden an. Teilzeitboom, lange Studiendauer und andere Faktoren könnten den Trend beflügeln.

Absolut betrachtet schneidet Österreich aber immer noch besser ab, als der OECD-Schnitt. Positiv ist auch, dass die Armutsraten über die Generationen betrachtet in keinem anderen Land so ähnlich sind. Die steigende Ungleichheit resultiert also nicht daraus, dass mehr jüngere Menschen in Armut abstürzen, sondern dass mehr Junge finanziell davonziehen.

So weit der status quo. Die größere Ungleichheit dürfte sich aber in Zukunft verfestigen.

Demographische Last

Die Sparmaßnahmen bei den Pensionsansprüchen in den meisten Industrieländern kommen nicht von irgendwo. Der demographische Wandel stellt die Altersvorsorge vor eine Herausforderung. Im Jahr 1980 kamen im OECD-Schnitt 20 Personen über 64 auf 100 Personen im arbeitsfähigen Alter. Bis zum Jahr 2015 hat sich das Verhältnis auf 28 zu 100 verschoben. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sollen auf einen Pensionisten weniger als zwei Aktive kommen.

Auch Österreich liegt hier etwas über dem Schnitt. Richtig dramatisch dürfte die Lage in Japan, Spanien und Südkorea werden. In diesen Ländern steigt das Verhältnis bis 2050 voraussichtlich auf über 70 Alte auf 100 Arbeitsfähige.

Die Ursachen für die steigende Ungleichheit im Alter beginnen bereits früh, so die OECD. Anfängliche Unterschiede nehmen im Lauf der Zeit zu. Wer schlechter ausgebildet ist, streckenweise arbeitslos oder krank war, wird seinem Altersgenossen mit stabiler Karriere umso mehr nachhinken in der Pension, als das bisher der Fall war.

Österreich weist in diesem Zusammenhang in einem Punkt einen besonders schlechten Wert auf: Die Erwerbsbeteiligung schlecht- oder mittelqualifizierter Älter liegt hierzulande deutlich unter dem OECD-Schnitt. Die negativen Folgen für die Einkommen erhöhen die Ungleichheit in der Pension, erläutert Agenda-Austria-Experte Michael Christl.

Akademiker leben länger

Insgesamt steigt die Lebenserwartung glücklicherweise. Aber auch dabei entstehen Unterschiede: Im OECD-Schnitt hat ein heute 25-Jähriger männlicher Uni-Absolvent eine um acht Jahre höhere Lebenserwartung, als ein Gleichaltriger mit niedrigem Bildungsabschluss. Bei Frauen liegt der Unterschied nur bei 4,6 Jahren.

In Österreich ist die Lücke bei Männern (6,4 Jahren) und Frauen (3,1 Jahre) jeweils etwas geringer ausgeprägt.

Ein höheres Pensionsantrittsalter vergrößert somit die Ungleichheit der gesamten Rentenbezüge, weil die höheren Akademiker-Pensionen auch länger ausbezahlt werden. Allerdings sei der Effekt nur gering, hält die OECD fest.

Krank sein kostet

Auch die Gesundheitsprobleme verstärken die Lücke bei den Einkommen je nach Ausbildung. Im Verlauf einer Karriere vermindern Gesundheitsprobleme das Einkommen von Akademikern um 17 Prozent im Schnitt. Bei Personen mit niedriger Ausbildung beträgt der Einkommensausfall ein Drittel.

Pflegefalle

Die Pflege ist vielfach für mehr Ungleichheit verantwortlich. Auch wenn Betroffene lieber von ihren Angehörigen im Alter betreut werden, hat das negative Konsequenzen auf die Einkommen. Wer sich 20 Stunden in der Woche um Angehörige kümmert, arbeitet zumeist Teilzeit oder gar nicht. Außerdem steigert die zusätzliche Belastung das Risiko von psychischen Krankheiten um ein Fünftel.

In Österreich pflegten 2013 (der jüngste Wert für einen Ländervergleich) rund jeder achte Mann und jede zehnte Frau über 50 täglich ein Familienmitglied. Damit lag man hierzulande im OECD-Schnitt.

Prävention

Um der wachsenden Ungleichheit im Alter vorzubeugen rät die OECD zum Ausbau der Kinderbetreuung und frühkindlichen Bildung. Außerdem sollten sich Gesundheitsausgaben stärker auf Risikogruppen fokussieren.

Um die familiären Bedürfnisse mit den finanziellen und gesundheitlichen Nachteilen der persönlichen Pflege in Einklang zu bringen, empfiehlt die OECD mehr direkte Unterstützung der Pflegenden Angehörigen, mit Geld, Kursen und Personal. Damit Pflege nicht zur Armutsfalle wird.

Es gibt auch ein paar Empfehlungen, die in Österreich ziemlich kontrovers diskutiert werden. Um die Erwerbstätigkeit Älterer zu erhöhen, sollen die Lohnkosten an die Produktivität angepasst werden, schreibt die Industriestaatenorganisation in ihrem Bericht. Die automatischen Lohnerhöhungen mit steigender Betriebszugehörigkeit – das Senioritätsprinzip – gelten als Gegenteil des OECD-Vorschlags. Auch der Arbeitsplatzschutz für Ältere wird als Hemmnis für mehr Beschäftigung dieser Gruppe gesehen. (Leopold Stefan, Andreas Schnauder, 21.10.2017)