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Verweigerung oder Gesprächsangebot: FPÖ-Chef Strache und Noch-Bundeskanzler Kern (SPÖ) versuchen sich zu verständigen.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Wien – Die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus läuft häufig auf Beteuerungen und Zeichenhandlungen hinaus: Den Verfechtern einer "Ausgrenzung" (von Personen und deren Positionen oder ganzen Parteien, in Österreich ist die FPÖ der Gegenstand intensiver Ausgrenzungsdebatten) ist an der Etablierung einer Grenze gelegen – quer durch das demokratische Gemeinwesen.

Dass es dabei auch immer wieder um Grundrechtsfragen geht und um die Frage, was alles unter Meinungsfreiheit fällt, wurde letzten Sonntag auf der Frankfurter Buchmesse deutlich, als ein Auftritt von Björn Höcke, einem besonders provokant rechtsnationalen AfD-Politiker, von Gegendemonstranten gestört wurde.

Höcke tauchte bei der Präsentation eines Buches mit dem Titel "Mit Linken leben" auf. Es kam zu Tumulten, und das auf einer Buchmesse, bei der es traditionell um das Medium der Aufklärung und bürgerlichen Öffentlichkeit geht. Ein Plakat, das einer der Demonstranten gegen den rechten Antaios-Verlag hochhielt, versuchte folgerichtig den Ausschluss der Rechten aus diesem Zusammenhang: "Ihr könnt nicht schreiben, ihr könnt nur hetzen".

Schon seit einer Weile ist guter Rat teuer, wenn es um den Umgang mit den Herausforderungen des Rechtspopulismus geht. In Österreich hat Sebastian Kurz dem Rechtspopulismus vorerst so erfolgreich einen programmatischen Slim-Fit-Anzug verpasst, dass sogar die FPÖ derzeit fast staatstragend aussehen kann – entsprechend sind Demonstrationen wie 2000 vorerst nicht zu erwarten. In Deutschland wird die Diskussion über den Umgang mit der politischen Rechten vor allem in den sozialen Netzwerken intensiv geführt, wobei es auch um Stellvertreterthemen geht wie die Frage, ob die liberalen Medien wirklich alle sich bei Hausbesuchen bei dem Antaios-Verleger Götz Kubitschek auf seinem Rittergut in Sachsen-Anhalt die Klinke in die Hand geben sollen.

Verstehen, nicht verstehen

Die Philosophin Svenja Flaßpöhler reagierte auf den Eklat in Frankfurt mit einer Einladung zu einer Verständnissuche: "Hört zu!" In dieser Sicht gibt es an den Anliegen der Rechtspopulisten etwas zu verstehen, und wenn es gelingt, das herauszuarbeiten, dann kann eine Auseinandersetzung erst beginnen. An der "Unterbrechung eines hermeneutischen Prozesses" (Flaßpöhler) ist aber der Rechten gerade gelegen, denn erstens gibt es an der Aufforderung "Hau ab!" (gerichtet an Bundeskanzlerin Merkel) nicht viel zu verstehen, und begründen wollen sie diesen Hass schon gar nicht. Denn das würde ja gerade wieder in die Diskussionen führen, die von Bewegungen wie den Identitären ausgeschlossen werden.

Der Schriftsteller Per Leo, der Philosoph Daniel-Pascal Zorn und der Jurist Maximilian Steinbeis versuchen mit einem aktuellen Buch "Mit Rechten reden. Ein Leitfaden" (Klett-Cotta), die Linken wie die Rechten gleichermaßen ein wenig aus den wechselseitigen Verhärtungen (moralische vs. völkische Überlegenheit) zu locken. Der (selbst-)ironische Tonfall deutet jedenfalls an: Seht her, Auseinandersetzung ist eigentlich eine gute Sache. Allerdings verheißt der allzu jugendkulturell bemühte Tonfall nicht wirklich Gutes.

Es geht dann ohnehin recht systematisch um die Asymmetrie in der ganzen Konstellation, die jede Auseinandersetzung so erschwert: "Wir haben einfach nur beschrieben, was ihr tut", so Leo, Zorn und Steinbeis über ihr Verfahren. Wir und ihr, das ist eben kein herrschaftsfreier Diskurs, sondern eine höchst schiefe Gesprächssituation, zu deren Verbesserung dieses Buch beitragen will. Die "Beschreibung" der drei Autoren kann man gern im sokratischen Sinn als "maieutisch" verstehen, also als Herausarbeitung von Widersprüchen in Positionen, die sich selbst missverstehen.

Allerdings will die Rechte darüber, "was sie tut", gar nicht mit sich reden lassen. Sie arbeitet nicht mit. Sie zieht aus der Verweigerung ihre größten Profite. Schon der Reim der Buchtitel, die aktuell miteinander (nicht) sprechen, sagt das Wesentliche aus: "Mit Linken leben" und "Mit Rechten reden". Die Rechte reklamiert das Leben für sich (und will es von Störungen frei haben), die Linke will demonstrieren, die liberale Mitte will reden. Es bleibt ihr gar nichts anderes übrig, wenn sie nicht der Polizei die Einschätzung darüber überlassen will, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Rechtsradikalismus konkret verläuft. (Bert Rebhandl, 20.10.2017)