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Eine unendliche Geschichte: Carles Puigdemont lenkt auch jetzt nicht ein und lässt es darauf ankommen. Am Samstag will die spanische Regierung konkrete Pläne für seine Entmachtung vorlegen.

Foto: AP / Emilio Morenatti

Der Chef der katalanischen Autonomieregierung Carles Puigdemont weicht von seiner Linie nicht ab. Auch beim Ablauf des zweiten Ultimatums vonseiten der Madrider Zentralregierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy antwortete der Katalane nicht eindeutig auf die Frage, ob er denn nun bei seinem Auftritt vor dem Autonomieparlament am 10. Oktober die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region erklärt habe oder nicht.

Wie bereits zum Beginn der Woche, als das erste Ultimatum Madrids ablief, beteuert Puigdemont einmal mehr, dass er Dialog wünsche. Am 10. Oktober verkündete Puigdemont vor dem Autonomieparlament "das Mandat des Volkes (...), dass Katalonien in Form einer Republik ein unabhängiger Staat wird", fügte dann aber hinzu: "Die Regierung und ich schlagen vor, dass das Parlament die Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung aussetzt, sodass wir einen Dialog führen."

Wunsch nach Dialog

Bei der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit, die am 1. Oktober trotz Verbots durch das spanische Verfassungsgericht stattfand, stimmten über 90 Prozent für eine unabhängige katalanische Republik, vielfach auch aus Protest gegen Polizeigewalt am Tag der Abstimmung. Die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent. Das Ergebnis sei damit stärker als das, welches "es den Briten erlaubte, den Brexit einzuleiten", schreibt Puigdemont an Rajoy.

Seit Puigdemonts Rede am 10. Oktober will Madrid nun wissen, ob Barcelona formal die Unabhängigkeit erklärt hat. Puigdemonts Wunsch nach Dialog blieb bisher ohne Resonanz. Die Staatsanwaltschaft, die in Spanien direkt dem Justizminister untersteht, beantragte am Montag bei Gericht mit Erfolg die Verhaftung von Jordi Sànchez von der Katalanischen Nationalversammlung (ANC) und von Jordi Cuixart von der Kulturorganisation Òmnium. Die beiden Organisationen bilden das Rückgrat der Unabhängigkeitsbewegung. Die "zwei Jordis", wie die Verhafteten genannt werden, sollen sich des "Aufstands" schuldig gemacht haben. Selbst Amnesty International verlangt ihre Freilassung.

Rajoy lehnt direktes Treffen ab

Auf einen Dialog über eine Abspaltung oder, wie von Puigdemont am vergangenen Montag gefordert, auf ein direktes Treffen will sich Rajoy nicht einlassen. Puigdemont habe die "Verfassungslegalität gebrochen". "Als Folge wird die Regierung Spaniens die im Verfassungsartikel 155 vorgesehenen Formalitäten umsetzen, um die Legalität in der Selbstregierung Kataloniens wiederherzustellen", heißt es in einem Kommuniqué der Regierung. Der Artikel 155 erlaubt es, die Autonomieregierung des Amtes zu entheben und Katalonien direkt von Madrid aus zu regieren. In einigen Monaten könnten dann Neuwahlen für das Autonomieparlament ausgerufen werden.

Am Samstag werden in einer Kabinettssitzung die genauen Pläne zur Intervention in Katalonien beschlossen. Rajoy hat diese seit Tagen mit dem Vorsitzenden der Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, und dem der rechtsliberalen Ciudadanos (C's), Albert Rivera, abgestimmt. Der Plan der Regierung geht dann an den Senat. Die zweite Kammer des spanischen Parlaments wird eine Kommission mit Vertretern aus allen autonomen Regionen einberufen. Diese studiert den Plan, hört Puigdemont und stimmt dann ab. Sollten sie, was zu erwarten ist, mehrheitlich der Anwendung des Artikels 155 zustimmen, wird eine Plenarsitzung des Senats einberufen. Diese muss mit absoluter Mehrheit zustimmen. Rajoys Partido Popular (PP) hat im Senat die absolute Mehrheit und wird von PSOE und C's unterstützt. Gegenstimmen sind von Podemos und den Nationalisten aus unterschiedlichen spanischen Regionen zu erwarten. Bis die Regionalregierung des Amtes enthoben werden kann, wird mindestens eine Woche vergehen.

Demonstrationen geplant

Puigdemont rechnet mit dieser Reaktion. "Dass die einzige Antwort auf unsere Dialogbereitschaft die Außerkraftsetzung der Autonomie ist, zeigt, dass man sich des Problems nicht bewusst ist", schreibt er. Und er droht mit Konsequenzen: "Das Parlament Kataloniens kann – falls es dies als opportun ansieht – einer förmlichen Unabhängigkeitserklärung zustimmen", heißt es am Ende seines Schreibens. Die Parteien, die Puigdemonts Regierung unterstützen, stehen hinter einer solchen Erklärung. Die Fronten sind weiter verhärtet. Gleichzeitig macht die Unabhängigkeitsbewegung auf der Straße mobil. Sie will friedlichen Widerstand gegen die von Madrid eingesetzte Verwaltung leisten. Der erste Schritt wird eine Großdemonstration am kommenden Samstag sein. (Reiner Wandler aus Madrid, 19.10.2017)