Mehrere Legislaturperioden hätte die SPÖ Zeit und Anlass gehabt, sich auf eine Situation einzustellen, die ihr aus der Zeit um das Jahr 2000 bekannt sein musste. Stattdessen gab sie sich damit zufrieden, nach dem selbstverschuldeten Debakel von Schwarz-Blau I den Bundeskanzler zu stellen, schwer erkauft durch die Auslieferung wichtiger Ministerien an einen Koalitionspartner, von dem sie heuer nicht zum ersten Mal zu hören bekam: Es reicht! Dass es kontinuierlich bergab ging, hat zu nicht viel mehr geführt als zu gelegentlichem Obmann- und Kanzlerwechsel, begleitet vom Schmieren des Boulevards. Und dass der Ruf nach Veränderung aus einer unbefriedigenden Koalition schließlich von konservativer Seite kam, ist auch nur eine Wiederholung des schon einmal Erlebten. Was aber genügte, die alte Frage "Wie halten wir es mit der FPÖ?" in verstärkter Konfusion aufleben zu lassen, statt endlich einmal neue Fragen zum Zustand der eigenen Partei zu stellen.

Ein einstimmiger Parteibeschluss, keine Koalition mit Rechtsextremen einzugehen, sollte erst jene Geschlossenheit vorgaukeln, die die dann von der gleichzeitigen Präsentation eines sozialdemokratischen Wertekatalogs desavouiert wird, der diese Koalition doch noch irgendwie ermöglichen soll. Welche Strategen waren da am Werk! Wer glaubt, nach dem Wahlergebnis vom Sonntag würde das Wedeln mit dem Wertekompass Strache beeindrucken, ist bestenfalls schrullig. Der verlangt, und das ist nicht einmal unlogisch, eine Aufhebung des Parteibeschlusses, ehe er zu Koalitionsgesprächen bereit wäre. Da es bei der SPÖ selbst in ihrem gegenwärtigen Zustand kaum denkbar ist, sie würde einen solchen Grundsatzbeschluss auf Befehl Straches und ohne Sicherheiten einfach annullieren, ist die Debatte über eine rot-blaue Koalitionsvariante, abgesehen von rufschädigend, auch sinnlos.

Das dümmste Argument dabei ist die immer wieder auftauchende Berufung auf Kreiskys Abkommen mit Friedrich Peter. Das war keine Koalition, sondern eine begrenzte Übereinkunft mit dem Ziel eines neuen, gerechteren Wahlsystems in Österreich. Mit einer rot-blauen Koalition, wie sie nun von manchen in der SPÖ aus Frustration über Sebastian Kurz und Angst vor der Opposition ersehnt wird, hatte das nichts zu tun.

In einer Koalition mit Rechtsextremisten – und man sollte sich vom aktuellen Gesäusel nicht betäuben lassen – würde die SPÖ nicht nur ihre Grundwerte preisgeben, sie würde auch jene Arbeiterschichten, die nicht erst seit der Flüchtlingswelle zu den Freiheitlichen abwandern, darin bestärken, es richtig zu machen, statt endlich zu überlegen, wie man sie zurückholen könnte. Die Folgen von Rot-Blau für die nächsten Wahlen in Wien möchte sich die SPÖ nicht ausdenken.

Was im Bund droht, ist schlimmer als Schwarz-Blau, nämlich eine Verfassungsmehrheit von Schwarz-Blau mit den Neos, mit der vieles möglich wird, was das Land in seinen Grundfesten erschüttern kann. Ohne totalen Gesichtsverlust ließe sich diese nur in einer Koalition unter einem Kanzler Kurz verhindern. Aber so wie der Österreich verändern will, wird er bei der SPÖ vermutlich gar nicht ernsthaft anfragen. (Günter Traxler, 19.10.2017)