Erza Aruqaj, stellvetretende Obfrau von Sorority: "Ich habe mich, ganz nach dem Motto 'Aim high', bei einer größeren Institution beworben, und es hat funktioniert."

Foto: Matthias Cremer

"Eine große Hürde ist auch der erste Jobwechsel. Man überlegt jetzt, was ein guter nächster Schritt sein könnte", sagt Martina Schöggl, Obfrau von Sorority.

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STANDARD: Frau Schöggl, Sie haben Kunstgeschichte studiert, Frau Aruqaj, Sie Wirtschaftswissenschaften. Wie leicht oder schwer war es, zu Ihren ersten Jobs zu kommen?

Schöggl: Da haben wir, glaube ich, eine ähnliche Geschichte, weil wir beide das Glück gehabt haben, dass wir schon während des Studiums in den Unternehmen gearbeitet haben, wo wir danach eingestiegen sind.

Aruqaj: Ich wollte ein bisschen schnuppern und wissen, was das, was ich in der Theorie an der Uni lerne, in der Praxis bedeutet. Also habe ich mich, ganz nach dem Motto "Aim high", bei einer größeren Institution beworben, und es hat funktioniert.

STANDARD: Ich höre da heraus: Wer bereits während des Studiums einschlägig arbeitet, hat Vorteile. Welche Rolle spielt Glück?

Aruqaj: Es kommt bestimmt auch auf das richtige Timing an. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Aber: Kleine Netzwerke vorab aufzubauen bringt sicher etwas.

Schöggl: Entscheidend ist, sich selbst auf das Radar zu bringen und sichtbar zu sein. Oft gibt es hunderte Bewerber.

Aruqaj: Bei mir war es als Tochter einer Arbeiterin und eines Arbeiters, die noch dazu beide Migrationshintergrund haben, auch eine Notwendigkeit, schon während des Studiums zu arbeiten. Anders wäre es sich finanziell einfach nicht ausgegangen.

STANDARD: Viele arbeiten in Gastronomiejobs, weil das schnelles Geld bringt.

Schöggl: Während des Studiums schon einen Job in der jeweiligen Branche zu bekommen ist natürlich ein Privileg. Und oft ist es notwendig, Jobs zu machen, die am Ende des Monats fix eine bestimmte Summe abwerfen, anstatt auf den großen Glücksgriff zu warten. Da kann man sich dann kleine branchenspezifische Netzwerke nur bedingt aufbauen. Aber dann schadet es sicher nicht, sich in berufsrelevanten Gruppen auszutauschen: online, offline, bei Veranstaltungen, an der Uni. Oder in branchenübergreifenden Netzwerken, wie zum Beispiel der Sorority, wo wir einen Raum zum Austausch und zur Unterstützung schaffen.

STANDARD: Welche Rolle spielt das Internet für die Sichtbarkeit?

Schöggl: In einigen Branchen ist sicher ein gut kuratierter Twitter-Feed von Vorteil. In der Kulturszene vielleicht eher ein Instagram-Account. Wenn man viel Projektarbeit gemacht hat, kann auch eine eigene Website eine gute Idee sein. Was in welchem Bereich genau wichtig ist, ist oft sehr unterschiedlich. Das Linked-in-Profil upzudaten schadet jedenfalls nicht und geht schnell. Selbstredend: dass man auf Facebook nicht die peinlichsten Dinge auf "public" stellt.

STANDARD: Wie ist das bei Ihnen, Frau Aruqaj?

Aruqaj: In meinem Bereich ist es wichtig, dass man versucht, die eigenen Forschungsergebnisse – Papers, Seminararbeiten – publik zu machen. Dazu kann auch Social Media nutzen, wie ich das im Wirtschaftsstudium mitbekommen habe. Was auch Türen öffnen kann und hilft, sichtbar zu sein: die von den Unis organisierten Events. Da habe ich wertvolle Connections aufgebaut.

STANDARD: Bei Sorority sind Frauen aus den unterschiedlichsten Branchen dabei. Wir haben bereits über den Jobeinstieg gesprochen – was sind weitere gemeinsame Herausforderungen? Was zieht sich quer durch?

Schöggl: Ich glaube, eine große Hürde ist auch der erste Jobwechsel. Man hat ein Studium geschafft, einen guten Arbeitsplatz bekommen und überlegt jetzt, was ein guter nächster Schritt sein könnte. Oft spielt dann auch schon Familienplanung eine Rolle. Was ebenfalls ein großes Thema ist: wie man mit strukturellen Sexismen am Arbeitsplatz umgeht. Damit sind viele unserer Mitglieder konfrontiert.

STANDARD: Welche Geschichten werden da erzählt?

Schöggl: Das beginnt dabei, ständig zum Protokollschreiben verdonnert zu werden, nicht zum Kicken eingeladen zu werden, und geht bis zur ungleichen Bezahlung.

Aruqaj: Das sind Ungleichheiten, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Beispielsweise, welche Rolle einer Person zugetraut wird oder nicht.

Schöggl: Frauen werden oft heruntergespielt, nicht wahrgenommen.

Aruqaj: Gerade am Anfang.

Schöggl: Da gibt es auch die Geschichte, wo die Frauen im Büro von Ex-Präsident Barack Obama realisiert haben, dass Ideen, wenn sie sie einbringen, nicht gehört werden. Wenn sie ein Mann zehn Minuten später einbringt, dagegen schon.

STANDARD: Wie reagiert frau am besten?

Schöggl: Wichtig ist, darüber zu reden. Um zu erkennen, dass das nicht an mir liegt, dass nicht ich schlecht bin. Sondern dass das ein strukturelles Problem ist und dass es ganz vielen Frauen ähnlich geht. So kann man Emotionen herausnehmen und sachlicher kontern. Was darüber hinaus hilft, sind Allianzpartnerinnen im Unternehmen. Sich gegenseitig pushen ist essenziell – wie etwa im Meeting aufeinander hinzuweisen: "Wie Elisabeth vorher gesagt hat." Das Mitziehen und Auf-die-Schulter-Klopfen könnten wir uns von Männern abschauen.

STANDARD: Sie verstehen sich als Karrierenetzwerk. Was ist Ihre Definition dieses Begriffs?

Aruqaj: Wir lassen unseren Mitgliedern die Definition offen. Aber hier spielt vor allem die – finanzielle – Unabhängigkeit der Frauen eine zentrale Rolle.

Schöggl: Ein wichtiges Wort in dem Zusammenhang ist für uns Selbstbestimmung. Eine Karriere kann eine Position im Topmanagement sein. Karriere kann ebenso bedeuten, am Ende des Monats noch genug Geld auf dem Konto zu haben.

Aruqaj: Jede setzt eigene Prioritäten.

STANDARD: Umfragen sagen: Freizeit und Sinn sind Jungen wichtiger als Geld. Beobachten Sie das auch in Ihrem Netzwerk?

Aruqaj: Natürlich stellt man sich diese Sinnfrage. Aber gerade der Berufseinstieg ist oft sehr prekär. Und finanzielle Unabhängigkeit spielt in unserer Gesellschaft schon eine Rolle. (Lisa Breit, 23.10.2017)