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Schon vor zehn Jahren riefen deutsche Politiker zur Überprüfung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf. Hier blicken Kellner 2006 auf einen Protest in Istanbul hinunter.

Foto: AP/OSMAN ORSAL

Brüssel/Ankara – Wie andere Beitrittskandidaten erhält die Türkei von der EU finanzielle Unterstützung. Mit den sogenannten Vorbeitrittshilfen soll die Anpassung an EU-Standards erleichtert werden. Im laufenden EU-Finanzzeitraum von 2014 bis 2020 sind 4,45 Milliarden Euro vorgesehen. Ausgezahlt ist wegen des angespannten Verhältnisses zu Ankara bisher wenig. Der EU-Gipfel fordert nun eine offizielle Kürzung.

Frage: Wozu dienen die Hilfen?

Antwort: Es gibt vier Hauptbereiche: Der größte läuft unter der Überschrift "Reformen zur Vorbereitung der Unionsmitgliedschaft", wofür rund 1,58 Milliarden Euro bereitstehen. Es folgen Hilfen für die sozioökonomische und regionale Entwicklung (1,53 Milliarden Euro), etwa für den Energie- oder Verkehrsbereich. Für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung stehen 912 Millionen Euro bereit und für Beschäftigung, Sozialpolitik, Bildung und Geschlechtergleichstellung 435 Millionen Euro.

Frage: Wieviel ist bisher ausgezahlt?

Antwort: Von den 4,45 Milliarden Euro sind laut EU-Kommission bis Ende August erst 258,4 Millionen Euro geflossen. Für konkrete Projekte schon vertraglich gebunden sind demnach 368,3 Millionen Euro.

Frage: In welchen Bereich flossen die meisten Gelder?

Antwort: Wie es aus der Kommission heißt, gingen in den vergangenen drei Jahren "fast die Hälfte der Finanzzusagen" in den Reformbereich. Zu diesem gehört auch die Korruptionsbekämpfung, die stärkere demokratische Einbindung der Bevölkerung in politische Entscheidungen, der Schutz der Grundrechte und die Förderung einer unabhängigen Justiz.

Frage: Können die Hilfen komplett gestoppt werden?

Antwort: Für einen vollständigen Stopp der Zahlungen sieht EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn keine rechtliche Handhabe. Diese müssten weiter laufen, solange die Beitrittsgespräche insgesamt nicht unterbrochen oder abgebrochen seien, sagte er im Juli. Dafür fehlen derzeit jedoch ausreichende Mehrheiten unter den 28 EU-Staaten.

Frage: Wie sieht es mit der Kürzung aus?

Antwort: Die EU-Kommission wurde von den Staats- und Regierungschefs aufgefordert, "Vorschläge zu machen für die Kürzung und Veränderung von Vorbeitrittshilfen", wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte. Dies solle aber "in verantwortbarer Weise" erfolgen.

Frage: Was heißt das?

Antwort: Merkel verweist darauf, dass es "nicht Hilfen einfach nur für die Regierung" seien, "sondern zum Teil auch für diejenigen, die sich andere Entwicklung in der Türkei vorstellen". Ein pauschale Kürzung würde deshalb auch die Zivilgesellschaft in der Türkei treffen. Ein deutscher Regierungsvertreter sagte, möglich seien auch Kürzungen nur in bestimmten Bereichen oder Umschichtungen von einem in den anderen Sektor.

Frage: Wären die Milliarden weg, wenn sie bis 2020 nicht ausgezahlt sind?

Antwort: Nein. Erweiterungskommissar Hahn zufolge würden die Gelder nach 2020 nicht einfach verfallen, wenn sie bis dahin nicht eingesetzt werden. Sie können demnach noch "zwei bis drei Jahre" später ausgezahlt werden. (APA, 20.10.2017)