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Viele Crowdworker leiden darunter, keine Stimme oder Vertretung zu haben, zu diesem Schluss kommt eine britische Studie.

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Huws vergleicht Crowdworker mit Menschen, die nach der schweren Finanzkrise in den 1930ern auf den Straßen in den USA Jobs suchten.

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Wien – Installateurservice per Mausklick, Grafikdesign via E-Mail-Anhang: Immer mehr Österreicher bieten Dienstleistungen über Onlineplattformen an. Die Wissenschaft spricht von sogenannten Crowdworkern oder einer "Gig"-Ökonomie. Arbeitnehmer werden dabei für einzelne Aufträge – also Gigs –, die sie über Internetplattformen einholen, bezahlt. Rund 18 Prozent der Österreicher waren bereits in einem solchen Arbeitsverhältnis tätigc, sagte Sozialminister Alois Stöger am Freitag bei einer Pressekonferenz.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die britische Ökonomin Ursula Huws. Sie hat in einer Studie das Crowdworking-Verhalten in Österreich und vier weiteren europäischen Ländern analysiert. 19 Prozent der mehr als 2.000 befragten Österreicher gaben an, dass sie bereits einmal als Crowdworker tätig waren, neun Prozent nehmen einen solchen Auftrag gleich mehrmals pro Woche wahr.

Keine genaue Definition

"Es gibt keine präzise Definition von Crowdworking", meint Huws. Schwarmarbeiter könnten nur schwer von jenen Menschen unterschieden werden, die ihr Einkommen aus unterschiedlichen Quellen beziehen. Huws spricht von "Patchwork-Einkommen" – viele der Schwarmarbeiter bieten ihre Dienstleistungen über Plattformen an und gehen gleichzeitig einem regulären Anstellungsverhältnis nach.

Bei dem Thema Crowdworking verschwimmen Arbeitsverhältnisse immer mehr, meint Stöger: "Die Definition von selbstständig und nichtselbstständig gilt nicht mehr." Die Löhne im Crowdworking-Segment seien mit Jahreseinkommen von teilweise weniger als 18.000 Euro unter dem Mindestlohnniveau, sagte der Sozialminister. Auch Versicherungen stehen mit dem wachsenden Anteil an Schwarmarbeitern vor Herausforderungen: 15 Prozent der Österreicher sind sowohl unselbstständig als auch selbstständig tätig – und oft mehrfach versichert, sagt Alexander Biach, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen. Dieses Problem müsse man beheben. Genaue Daten, wie viele Personen "in der Crowd arbeiten", habe man jedoch nicht.

In mehreren Bereichen tätig

Ein Grund für die ungenaue Datenlage ist, dass viele Crowdworker in mehreren Bereichen gleichzeitig tätig sind, wie die Studie der Hertfordshire-Universität verdeutlichte. Von acht auszuwählenden Branchen haben die Befragten im Durchschnitt fünf bis sechs Möglichkeiten angekreuzt, sagte die Ökonomin zum STANDARD. In Österreich sind die meisten Schwarmarbeiter als "Click-Worker" tätig: Sie führen einfache Bürotätigkeiten aus – oft von zu Hause. An zweiter Stelle stehen Dienstleistungen in der Kreativ- und IT-Branche.

"Crowdworker sind die neuen Working Poor", sagt Huws – also in einer neuen Form der Erwerbsarmut. Sie vergleicht die Arbeitssuchenden mit jenen Menschen, die nach der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren mit Schildern auf der Straße Jobs suchten. Crowdworker würden heutzutage unter ähnlichen Verhältnissen Jobs suchen, "um irgendein Einkommen zu generieren", meint die Expertin.

In die Kriminalität gedrängt

Huws hat zusammen mit ihrem Team zahlreiche Crowdworker zu ihren Motiven befragt. Die meisten haben angegeben, dass sie der Tätigkeit nachgehen, um sich zusätzlich zu regulären Jobs besser abzusichern. Viele Arbeitnehmer würden darunter leiden, keine Stimme zu haben und nicht vertreten zu werden. Einige Schwarmarbeiter wurden außerdem in die Kriminalität gedrängt, erzählt die Ökonomin. Angestellte von Lieferdiensten wurden beispielsweise dazu aufgefordert, illegalen Tätigkeiten nachzugehen – wie etwa dem Ausliefern von Drogen.

Crowdworking hat für viele Menschen auch positive Seiten: So können die Tätigkeiten beispielsweise oft von zu Hause ausgeführt werden. Junge Menschen, die in das Berufsleben einsteigen, überbrücken den Übergang zwischen Ausbildung und Anstellung häufig durch Crowdworkingjobs. Die Hälfte der in Österreich befragten Person war jünger als 35 Jahre, mit einem leicht überwiegenden Männeranteil von 55 Prozent.

Im herkömmlichen Arbeitsmarkt angekommen

Erhebungen hätten ergeben, dass das Arbeitskonzept auch in den herkömmlichen Arbeitsmarkt "überschwappt", sagt Huws. Immer mehr Arbeitgeber, die keine Schwarmarbeiter beschäftigen, würden Crowdworking-Elemente verwenden. Dazu zählen die Aufgabenverteilung via App oder die Onlinebewertung einzelner Mitarbeiter.

Der technologische Wandel würde nicht nur Arbeitsformen verändern, sondern auch zu einem Anstieg der Ungleichheit führen, sagte Harvard-Ökonom Maximilian Kasy. Durch Arbeitsweisen wie das Crowdworking würden Jobs "in der Mitte" verschwinden – was wiederum zu einem Anstieg der Lohnungleichheit führt. Davon seien vor allem Jobs in der Administration und in der Industrie betroffen.

Politische Antworten gefordert

Durch Crowdworking-Plattformen sei es wesentlich einfacher, Arbeit auszulagern, von der Reinigung bis zur Buchhaltung. "In den ausgelagerten Bereichen gibt es oft niedrigere Löhne", sagte Kasy. Dadurch würde die Ungleichheit steigen. Das Ausmaß hänge stark von politischen Maßnahmen und institutionellen Bedingungen in den jeweiligen Ländern ab, meint der Wissenschafter. In Zukunft sei deshalb "eine Vielzahl von politischen Antworten gefordert". Nicht nur das Arbeitsrecht, sondern auch das Steuerrecht müsste dementsprechend angepasst werden. (Nora Laufer, 20.10.2017)