In der Ausstellung "Almost Blue" der Portugiesin Maria Trabulo können in der Innsbrucker Neuen Galerie auch 600 Kilogramm Meersalz knirschend überschritten werden, die in die Räumlichkeiten gekippt wurden.


Foto: Fotostudio West

Innsbruck – Die schwankende Fahrt auf einem Boot, aufgenommen knapp über der Wasseroberfläche, nur den fernen Horizont im Blick. Ein Tau, das nur scheinbaren Halt bietet, bei näherem Hinsehen aber aus brüchigem Meersalz gefertigt ist. Salzfliesen, die das Fischgrätparkett einer gutbürgerlichen Wiener Altbauwohnung imitieren, aber keinen wirklich festen Boden unter den Füßen bieten.

Textilien, die durch das Eintauchen in Meerwasser dessen verkrustete Stofflichkeit und alle möglichen Schattierungen von Blau annehmen. Und 600 Kilo Meersalz auf dem Boden der Galerie.

Die Ausstellung Almost Blue der 1989 geborenen portugiesischen Künstlerin Maria Trabulo vermittelt in der Neuen Galerie der Tiroler Künstlerschaft das zentrale Motiv der Auseinandersetzung zuallererst auf einer sinnlichen Ebene. Lässt man sich auf die Videos, Installationen und Zeichnungen ein, erzählt das Meer – Mittelpunkt von Trabulos zwei Jahre dauernder Recherche – aber noch viel mehr.

Es offenbaren sich ökonomische und territoriale Erzählungen, kollektive Erinnerungen an Flucht und Überfahrt und die Diskrepanz von schillernden Urlaubsbildern und geopolitischer Realität.

Für die Fischergemeinde im griechischen Heraklion etwa, die von der Wirtschaftskrise schwer getroffen wurde, symbolisiert das Meer ihr einzig verbliebenes Gut, aus dem sich wirtschaftlicher Nutzen oder schlichtweg das Überleben schöpfen lässt.

Für libysche Flüchtlinge, die nachts auf ein Schlepperboot steigen, ist das Meer schwarz, bis es in Italien endlich blau erscheint.

All diese Erzählungen, welche die heute in Wien lebende Maria Trabulo bei ihren Aufenthalten in verschiedenen europäischen Küstenorten gesammelt hat, übersetzt sie für die Ausstellung in eindrucksvolle Arbeiten: etwa der Videoloop einer Überfahrt von Kalabrien nach Stromboli, Even those born here want to leave, eine Serie von salzwassergetränkten Stoffen, Wine Dark Sea, oder der filigrane Abguss eines Schiffstaus, 16 meters deep. (Nicola Weber, 20.10.2017)