Den eigenen Umgang mit Stress hinterfragen – das ist der erste Schritt zu einer besseren Bewältigung.

Foto: iStock

Arbeitnehmer fallen immer öfter aufgrund psychischer Belastungen aus. Ursachen dafür sind etwa der steigende Wettbewerbsdruck, ständige Erreichbarkeit und die schwierige Vereinbarkeit einer Vollzeitstelle mit Familie und Freizeit. Wie man sich leichter an stressige Herausforderungen anpasst, untersucht Bernhard Leipold von der Universität der Bundeswehr München.

Psychologen sprechen bei seelischer Widerstandsfähigkeit von "Resilienz". Geht man nach dem lateinischen Wortursprung, beschreibt der Fachterminus die Fähigkeit, wieder in seinen Ursprungszustand zurückzuspringen. "Wie ein Ball, der – nachdem er aufgeprallt ist oder zerknautscht wurde – wieder rund wird und vielleicht nur eine kleine Delle zurückbehält", sagt Leipold.

In der Psychologie werden unterschiedliche Formen von Stress unterschieden. Es gibt typische Stressauslöser, die alle Menschen betreffen, etwa Gesundheitsprobleme des Alterns, und atypische, meist unvorhersehbare Ereignisse wie Lebenskrisen, Unfälle oder Verluste. Neben dem Stress mit positiv erlebten Konsequenzen, auch Eustress genannt, der motiviert und als Euphorie etwa bei Hochzeiten oder Geburtstagen empfunden wird, unter-scheidet man auch den Stress mit belastenden Konsequenzen (Distress).

Herausforderungen anpassen

"Auch resiliente Menschen können aus der Bahn gebracht werden", so Leipold. "Sie erholen sich aber nach einer Phase der Verarbeitung oder Trauer wieder von der Krise und lernen, sich im Laufe ihres Lebens neuen Herausforderungen immer wieder anzupassen. Sie haben ihre persönliche Entwicklung selbst in der Hand, zumindest ein Stück weit." Resiliente Personen gehen Probleme handlungsorientiert an und lassen sie nicht einfach über sich ergehen. Sie vertrauen in ihre Fähigkeiten und geben sich nicht auf, wissen aber auch um ihre Grenzen und verbeißen sich nicht in Dinge, die sie nicht ändern können. Unterstützung bietet ihnen in Krisensituationen ein verlässliches soziales Netzwerk. "Hier zählt häufig nicht die Quantität, sondern die Qualität der Beziehungen", betont der Forscher.

Oft haben Menschen mit der Zeit bestimmte Bewältigungsstrategien für den Umgang mit psychischen Belastungen entwickelt. "Wir versuchen, das Problem oder die damit verbundenen negativen Gefühlen zu beseitigen. Im Falle einer Jobsuche kann ich zum Beispiel zunächst alle mir zu Verfügung stehenden Wege von der Optimierung meiner Bewerbungsunterlagen bis hin zur Nutzung meiner persönlichen Kontakte ausschöpfen", so der Experte.

Um das Stressgefühl abzubauen, greifen viele Menschen auf Sport oder Entspannung zurück. Auch Musik kann helfen. "Nicht umsonst werden in Zahnarztpraxen oft beruhigende, ablenkende Stücke im Hintergrund gespielt", sagt Leipold.

Umgang mit Stress hinterfragen

"Gerade wenn man merkt, dass die Stressphase lange anhält, sollte man seine Gewohnheiten im Umgang mit Stress hinterfragen", empfiehlt er. "Oft sind andere Bewältigungsstrategien nicht bekannt oder es mangelt noch an der Umsetzung." Ob und ab wann Stress als belastend wahrgenommen wird, ist abhängig von der persönlichen Wahrnehmung. "Mit dem Alter werden viele Menschen zudem gelassener, wenn sie lebenserfahren sind und ähnliche Situationen schon einmal erlebt haben", so Leipold.

In Studien stellt der Forscher Probanden vor ein künstliches Problem. Erst sollen sie dieses mit Hilfe ihrer üblichen Herangehensweise lösen. In einem zweiten Schritt wird das Problem hinterfragt. Die Studienteilnehmer überlegen, ob man das Problem auch anders bewältigen könnte – und setzen diese Methode im Idealfall auch im Alltag um.

"Man sollte versuchen, offen und flexibel zu bleiben", rät Leipold. "Wenn wir uns über ein unfreundliches Telefonat oder einen Arbeitskollegen aufregen, können wir lernen zu relativieren, indem man fragt: Was ist eigentlich wichtig?" So wird das ein oder andere Alltagsärgernis schlagartig ganz klein. (red, 21.10.2017)