Alexander Van der Bellen hat Sebastian Kurz wie erwartet mit der Regierungsbildung beauftragt. Auf die wochenlangen Sondierungsgespräche, die nach einem alten Ritual nun folgen, sollte man aber verzichten. Die neue Regierung kann bereits in wenigen Tagen stehen: die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ. Eine andere Regierung darf es nicht geben, denn nur diese entspricht dem Wählerwillen. Selten zuvor war eine Koalition demokratisch so stark legitimiert.

Jeder Wähler, der sein Kreuzerl bei ÖVP oder FPÖ gemacht hat – und das war eine große Mehrheit -, hat gewusst, dass Schwarz-Blau die wahrscheinlichste Variante ist. Das war im Jahr 2000 ganz anders. Auch die Stimmung in den beiden Parteien und die Umfragen sprechen klar für eine solche Koalition. Jede andere Kombination – sei es Schwarz-Rot oder Rot-Blau – wäre das Resultat taktischer Spielchen und letztlich Betrug am Wähler. Für eine Minderheitsregierung ist der Vorsprung der ÖVP zu gering. Kurz hat nur eine Koalitionskarte in der Hand, und er sollte sie im Sinne ehrlicher Politik rasch ausspielen.

Angesichts des klaren Votums vom vergangenen Sonntag gibt es auch keinen Grund für wohlmeinende europäische Partner zu klagen und zu warnen. Die ÖVP steht trotz einiger Querschüsse weiterhin im Mainstream der EU-Politik, und die FPÖ-Führung scheint entschlossen, von diesem Kurs nicht abzuweichen. Indem Heinz-Christian Strache so vehement das Innenministerium für sich beansprucht, macht er auch klar, dass er das Außenministerium nicht fordert. Das ist notwendig: Ein Außenminister Norbert Hofer, der mit Russland, Ungarn und Polen liebäugelt, wäre für Österreich katastrophal.

All jene, denen die FPÖ suspekt ist – und das sind viele -, sollten sich daher nicht mit dem "Ob", sondern mit dem "Wie" beschäftigen. Dieser zukünftigen Regierung gehört genau auf die Finger geschaut. Respektiert sie die Bürger- und Menschenrechte? Hält sie sich ans EU-Recht und beteiligt sie sich konstruktiv an gemeinsamen europäischen Projekten? Sucht sie bei Reformen zumindest den Dialog mit Sozialpartnern und hilft damit, den sozialen Frieden zu bewahren? Oder versucht sie, die Medien zu knebeln und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu manipulieren? Und ruft sie Referenden mit dem Zweck aus, Stimmung für populistische Anliegen zu machen?

Wichtig wird auch sein, wie die FPÖ-Spitze auf die erwartbaren braunen Rülpser aus ihrer Funktionärsriege reagiert. Für all das ist Kurz verantwortlich. Er muss sicherstellen, dass sich Österreich im Ausland nicht isoliert und im Inland nicht spaltet; er wird auch für alle Fehltritte seines Koalitionspartners geradestehen müssen. Die werden wahrscheinlich zunehmen, sobald die zornigsten Wähler sich von der FPÖ abwenden, weil diese zu staatstragend handelt, und der Spagat zwischen Protest- und Regierungspartei wie einst unter Jörg Haider an der Wahlurne scheitert. Anders als "Schweigekanzler" Wolfgang Schüssel wird Kurz nicht so tun können, als ginge ihn das nichts an.

Entscheidend werden auch die Kontrollinstanzen – die Checks and Balances – in diesem Land sein. Bei einer rechtskonservativen Regierung mit illiberalen Anflügen braucht Österreich eine starke Opposition, eine aufmerksame Presse, aktive Gerichte und eine selbstbewusste Zivilgesellschaft, die zum Widerstand aufruft, wenn es angebracht ist. Aber erst dann. (Eric Frey, 20.10.2017)